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Tarnen und überleben: Sachbilderbuch mit künstlerischem Anspruch

Die einen ahmen die Form eines Astes nach, die anderen passen sich farblich an ihre Umgebung an; wieder andere schützen sich mit einem Stachelkleid, um nicht von ihren Feinden angegriffen und gefressen zu werden. Doch eines ist diesen Meistern der Tarnung gemeinsam: Sie haben sich im Überlebenskampf der Natur perfekt an ihren Lebensraum angepasst. In ihrem Sachbilderbuch für Kinder ab fünf Jahren hat Annika Siems die Tricks der Tiere eindrucksvoll in Bilder gefasst und mit kurzen informativen Texten versehen.

Auf 48 Seiten werden 15 Tiere vorgestellt - vom als Anpassungskünstler bekannten Chamäleon bis zur sich fast lautlos auf ihre Beute stürzende Eule -, die alle über bestimmte Merkmale verfügen, die ihnen das Überleben in ihrem Habitat ermöglichen. Siems scheut sich in ihren Texten nicht, biologische Fachbegriffe wie Mimikry, Mimese oder Habitat zu verwenden oder am Ende eine Art kleines Glossar mit den lateinischen Namen der vorgestellten Tiere zusammenzustellen. Einfach und doch fachlich korrekt erklärt, stellen diese Fachbegriffe auch keine Probleme für Kinder dar.

Kolibri, Bananenfalter, Leopard, Zebra oder Heuschrecke - sie alle haben eine Besonderheit, die Siems in ihren großformatigen Zeichnungen eindrucksvoll darstellt. Da ist der Kolibri mit seinem Schwirrflug und dem langen, spitzen Schnabel oder der Bananenfalter, der mit den großen Augen auf seinen Flügeln Feinde abschreckt. Oder der Leopard, der mit seiner gefleckten Zeichnung gut getarnt ist und sich noch dazu sehr geschmeidig und leise seiner Beute nähern kann. Auch das schwarz-weiße Fell des Zebras ist etwas Besonderes, weil es die Feinde verwirrt: In der Herde sieht man nur noch ein einziges Streifenmeer, das durch das Flimmern der Hitze Afrikas noch verstärkt wird.

Obwohl das Format des Bilderbuchs mit einer Größe, die zwischen dem bekannten DIN A4 und DIN A3 liegt, in die Kategorie der großformatigen Bilderbücher gehört, reicht der Autorin und Illustratorin eine Seite nicht, um ein Tier darstellen. Geschickt zeigt sie die Besonderheiten eines Tieres über mehrere Seiten hinweg und schafft fließende Übergänge zwischen den einzelnen Überlebenskünstlern. Ohne es zu merken, unternimmt man als Betrachter auf 48 Seiten eine rasante Reise über alle Kontinente unseres Planeten.

Auch als erwachsener Betrachter muss man feststellen, dass das Buch seine Wirkung erst auf den zweiten Blick entfaltet - so wie man die abgebildeten Tiere in der Natur auch erst auf den zweiten Blick erkennt. Mit der Art der Text-Bild-Komposition imitiert Annika Siems die Tarnung dieser Tiere, denn für den zunächst unaufmerksamen Betrachter verstecken sich Textzeilen und Infos in Blättern, auf Federn oder Flügeln. Genaues Betrachten und Studieren ist erwünscht, sonst nimmt man sich selbst die Chance alle Details wahrzunehmen und etwas dazuzulernen. Außerdem wäre es eine Schande, sich einem solch interessanten Sachbilderbuch, das so anders gestaltet ist als die übrigen seiner Art, nicht mit der gebührenden Aufmerksamkeit zu widmen.

Sabine Mahnel
09.07.2012

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