Romane

Die Musik der Stille – faszinierende Reise in Auris Ich

Der Fantasy-Schriftsteller Patrick Rothfuss hat mit seiner "Königsmörder-Chronik" eine treue Fangemeinde gewonnen. Deren Fortsetzung wird im Fantasy-Genre vermutlich fast so heiß und innig herbeigesehnt wie der nächste Teil von George R. R. Martins Epos "Das Lied von Eis und Feuer". Nun hat Rothfuss mit "Die Musik der Stille" endlich ein neues Buch veröffentlicht. Fans dürfen sich freuen, da es ebenfalls in der Welt spielt, die aus den ersten Teilen der Serie - "Der Name des Windes" und "Die Furcht des Weisen" - bekannt ist. Doch "Die Musik der Stille" hat sowohl das Zeug dazu, eine Offenbarung wie eine Enttäuschung zu werden. Nicht umsonst warnt Patrick Rothfuss gleich im ersten Satz seiner Vorbemerkung "Du solltest dir dieses Buch vielleicht nicht kaufen".

Hauptfigur des Buches ist nicht der Magier Kvothe, sondern vielmehr die junge Auri, die Fans der "Königsmörder-Chronik" bereits als eine Freundin des Zauberers bekannt sein dürfte. Bei dem Mädchen handelt es sich um den vielleicht geheimnisvollsten Charakter der ganzen Reihe. Patrick Rothfuss schildert ihren Alltag in der Unterwelt der Universität. Dabei markiert schon die veränderte Erzählhaltung - statt der Ich-Perspektive aus den früheren Bänden, vermittelt er die Geschichte aus Sicht eines Erzählers in der dritten Person - einen Bruch. Dadurch gelingt es dem Autor, etwas Distanz zu seiner Hauptfigur zu schaffen und gleichzeitig ihren Charakter besser auszuloten. Das ganze Buch ist eine Reise in Auris Ich und das ist durchaus eine Reise wert. Denn Auri ist hochgradig sensitiv - in einem Roman der in unserer Welt spielt, wären diesbezüglich vielleicht auch Worte wie autistisch oder zumindest psychisch auffällig angebracht. Sie meint den geheimen Namen von Dingen zu kennen und versucht durch deren richtige Platzierung Harmonie zu schaffen. Doch Auri einseitig als krank abzustempeln geht am Kern der Sache vorbei. Schließlich befinden wir uns in einer Fantasy-Welt, in der Magie existiert und die Kenntnis des wahren Namens von Lebewesen und Dingen den Wissenden zauberkräftige Macht verleiht. Patrick Rothfuss nimmt den Leser in Auris Welt mit, die teilweise so fremdartig ist - angefangen von der eigenwilligen Namensgebung der Räume bis zu beinahe zwanghaften Handlungen - dass, er sich nur nach und nach in dieser zurecht findet. Aber gerade diese Reise, in der es gilt, das persönliche Universum der Hauptfigur zu entdecken, macht einen großen Reiz des Buches aus. Ein anderer ist die herrliche und vielschichtige Sprache, die schon die ersten Romane von Patrick Rothfuss auszeichnete. In diesem Zusammenhang gebührt ausdrücklich Jochen Schwarzer ein Lob für seine hervorragende Übertragung des Textes aus dem Englischen. Im Buch finden sich zudem noch bemerkenswerte Schwarz-Weiß-Zeichnungen von Marc Simonetti, der bereits Werke von George R. R. Martin illustriert hat. Diese tragen viel zur dichten Atmosphäre des Buchs bei.

"Die Musik der Stille" enthält viele Dinge nicht, die traditionelle Geschichten bieten oder sogar ausmachen. Es gibt nur eine einzige Figur, keine Dialoge, keine klassischen Konflikte, wenig Action und kaum Handlung. Das soll weniger eine Kritik, sondern vielmehr eine Beschreibung sein. Patrick Rothfuss ist sich dieser Tatsachen vermutlich mehr als jeder andere bewusst. Deswegen wird "Die Musik der Stille" vermutlich nicht jedem Leser gefallen. Sinn macht die Lektüre ohnehin nur für Fans, die bereits die anderen Werke aus der "Königsmörder-Chronik" kennen. Doch wer sich darauf einlässt, kann Ungewöhnliches und ein faszinierendes Experiment erleben. Dieses Buch  ist für Leute, die auch einmal ungewöhnliche Wege einschlagen möchten - oder wie Rothfuss es selbst am Ende des Vorworts ausdrückt: "Tja, dann ist dieses Buch vielleicht doch etwas für dich." Objektiv ist nur ein einziger Kritikpunkt wirklich angebracht: Mit nur 173 Seiten - inklusive Vor- und Nachwort sowie diverser ganzseitiger Illustrationen - ist die "Musik der Stille" etwas kurz geraten.

Ingo Gatzer
23.03.2015

 
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Das Buch:

Patrick Rothfuss: Die Musik der Stille. Übersetzt von Jochen Schwarzer, Illustration von Marc Simonetti

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Stuttgart: Klett-Cotta 2015
173 S., € 17,95
ISBN: 9783608960204

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