Romane

Einmal Hölle (und zurück?)

Der unangenehmste Platz für einen Engel ist wahrscheinlich die Hölle. Das hindert "Anwaltsengel" Doloriel - auf Erden besser als Bobby Dollar bekannt - jedoch nicht daran, erhebliche Mühen auf sich zu nehmen, um genau dorthin zu gelangen. Er ist allerdings nicht im Auftrag des Höchsten unterwegs oder um es mit dem Teufel aufzunehmen. Bobby möchte eigentlich nur seine Geliebte Caz befreien, die dummerweise eine Dämonin ist - also kaum die passende Partie für einen Vertreter des Himmels. Was wie ein Himmelfahrtskommando klingt, erweist sich auch als solches, zumal Doloriel auch noch ein Killer auf den Fersen ist. Zudem scheinen nicht nur höllische, sondern auch himmlische Mächte mit Bobby so ihre eigenen Pläne zu haben.

Mit "Happy Hour in der Hölle" präsentiert Erfolgsautor Tad Williams - vor allem durch Zyklen wie "Otherworld" und "Osten Ard" bekannt - den zweiten Teil seiner Reihe um den Anwaltsengel Bobby Dollar. Eine große Stärke der Serie bleiben die toll gestalteten Charaktere. Das beginnt bei der Hauptfigur selbst. Bobby Dollar agiert immer wieder so gar nicht, wie es sich für einen Vertreter des Himmels geziemen würde, und wirkt häufig - wenn er sich nicht gerade in der Unterwelt als verkleideter Dämon durchschlägt - eher wie ein kauziger Privatdetektiv aus der Schwarzen Serie. Er schildert die Ereignisse als Ich-Erzähler und sorgt auch bei vermeintlich düsteren Szenen immer wieder für komische Momente. Zudem bevölkern die von Tad Williams erdachte Welt noch zahlreiche skurrile Charaktere, gegen die sogar viele der Dämonen erstaunlich normal wirken - etwa Bobbys Kumpel Fatback, der verflucht ist, seine Existenz tagsüber als Mensch mit Schweinebewusstsein und nachts als Schwein mit Menschenbewusstsein zu verbringen. Aber auch bei der Schilderung der Hölle selbst beweist der Autor viel Fantasie. Dabei bedient er sich teilweise klassischer Vorbilder - etwa Dantes "Inferno" - und kombiniert diese geschickt mit seinen eigenen Einfällen, um eine überzeugende Unterwelt zu kreieren, die zudem immer wieder Überraschungen bietet. Letztlich wirft Tad Williams Werk sogar theologische Fragen auf. Verdienen es Sünder beispielsweise wirklich für ihre Verfehlungen ewig zu leiden?

Um "Happy Hour in der Hölle" richtig genießen zu können, empfiehlt sich vorab die Lektüre des ersten Teils der Reihe, "Die dunklen Gassen des Himmels". Zwar werden immer wieder für das Verständnis notwendige Informationen rekapituliert. Aber wer etwa wissen möchte, warum Fatback  als Wer-Eber durchs Leben grunzt oder wie Bobby ausgerechnet der Dämonin Caz verfallen konnte, kommt um den ersten Band kaum herum. Während dieser dem Genre Urban Fantasy zuzuordnen war, lässt sich "Happy Hour in der Hölle" zum Großteil als klassische - oder möglicherweise infernalische - Fantasy bezeichnen.  Die Gewalt und ihre Darstellung ist deshalb auch deutlich drastischer - was vor allem dem Ort der Handlung geschuldet ist. So bedient sich Tad Williams teilweise auch Splatter-Elementen, wenn er die in der Hölle stattfindenden Gewaltszenen schildert.

Dank der toll gestalteten Charaktere, dem interessanten infernalischen Szenario und einer Prise Humor hat Tad Williams mit dem zweiten Teil der Reihe "Bobby Dollar" höllisch gute Fantasy geschaffen, die allerdings bei den Gewaltdarstellungen deutlich drastischer als der Serienauftakt ausfällt.

Ingo Gatzer
06.10.2014

 
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Das Buch:

Tad Williams: Happy Hour in der Hölle: Bobby Dollar 2

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Stuttgart: Hobbit Presse Klett Cotta 2014
565 S., € 22,95
ISBN-13: 978-3-608-93833-3

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