Romane

Rede auf Ruprecht

Der Tod ist nicht das Drama. Dramatisch kann das Sterben sein. Das Drama ist das Leben. So dramatisch der inszenierte Unfalltod des Ruprecht Rademacher auch scheint, Hagen Brandt weiß, dramatisch war das Leben des Ruprecht Rademacher. Hagen ist der Freund von Ruprecht. Der einzige –Freund. Wohl dem, der einen Menschen seinen Freund nennen kann! Einen wie Hagen, den der „Widersinn, daß Ruprecht nicht mehr lebt“ dazu bringt, eine lange Rede auf Ruprecht Rademacher zu halten. Angeboten ist die lange Rede des Hagen Brandt in dem Roman „und geh nicht ohne gruß“ von Rudolf Scholz.

Hagen ist der Ich-Erzähler des Romans, der der Roman einer Freundschaft ist. Die Freundschaft beginnt mit dem Beginn der gemeinsamen Oberschulzeit. Werden wird in den Jahrzehnten eine Freundschaft, eine Lebenszeit, die immer wieder dadurch bestimmt ist, wer, wann, wie glaubwürdig bleibt. Nicht die Freundschaft, die Zeit macht es schwer, ein Glaubwürdiger zu sein. Vor allem für Ruprecht den musischen Menschen, mit dem malerischen Talent und der Lust, ein Mann des Theaters zu werden. Ruprecht wird Informatiker. Anders Hagen! Der hat nur eine Ambition und die wird wahr. Hagen, der sich selbst einen Arglosen nennt, wird Journalist einer Bezirksparteizeitung und nicht einmal durch die „Wendeereignisse“ um seinen Arbeitsplatz gebracht. Anders Ruprecht, der die Last der Millionen mitträgt, die, aus der DDR entlassen, mit dem Land auch ihre Arbeit verlieren. Der Ich-Erzähler ist das schlichtere, naivere Gemüt, dem die Leser seine Schlichtheit und Naivität glauben müssen. Die kompliziertere, komplexere, konsequentere Natur ist Ruprecht. Er begegnet der noch konsequenteren Katharina, die auch Hagen eine Freundin sein wird. Die Liebesgeschichte bringt Konflikte in die Freundschaft, gestattet ihr jedoch nicht das Scheitern. Wesentlich ist, durch die Katharina-Figur wird der Blick auf die Wirklichkeit der DDR geweitet, was der differenzierten Darstellung nützt.

Der Roman von Rudolf Scholz ist vor allem ein Blick zurück auf und in die DDR. Ohne Zorn. Ohne Wehmütigkeit. Ein DDR-Roman ist „und geh nicht ohne gruß“ nicht. Er ist auch kein Roman der „Wendeereignisse“, wie es zu recht immer wieder heißt, um den Begriff „Wende“ zu vermeiden. „und geh nicht ohne gruß“ ist der ereignisreiche Roman der Lebensgeschichte von Ruprecht, Katharina und Hagen. Ihre Geschichten widerlegen, daß das Leben in der DDR nur ein ereignisarmes Leben gewesen sein kann. Die Spannungen, die in der DDR reichlich waren, geben dem Roman die Spannung, ihn mit steigender Neugier zu lesen. Allen Schwächen zum Trotz, die der Roman hat. Oder war es die Absicht, des Autors, dem Roman durchweg den Duktus des Ich-Erzählers zu geben? Literarisch hat der Roman so nicht gewonnen. Er ist das Werk eines Journalisten, ein journalistisches Werk. Wieder und wieder wird berichtet, analysiert, sogar rezensiert. Der Roman hat den Stil, der heute auf den „Seite 3“ – Artikeln der Tageszeitungen üblich ist. Zu wenige der nie gleichgültig lassenden Ereignisse des Romans sind tatsächlich erzählte Ereignisse. „Ruprecht“, so der Ich-Erzähler Hagen, „schien mir über die Schulter zu blicken und jedes Wort einer kritischen Prüfung zu unterziehen. Das nahm mir die Unbefangenheit, die ich zum Schreiben benötige. “ Als befangen Unbefangener, unbefangen Befangener hat Rudolf Scholz den Roman „und geh nicht ohne gruß“ geschrieben, der genug Stoff für ein gutes Fernsehdrama hat.

Bernd Heimberger
05.09.2005

 
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Das Buch:

Rudolf Scholz: und geh nicht ohne gruß

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Dresden: ddp goldenbogen 2005
324 S.
ISBN: 3-93243-4269

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