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Der Traum von einer Geschichte

Manon war einst ein glückliches Mädchen - damals, als ihre Mutter noch nicht sie und ihren Vater verlassen hat. Seit einigen Monaten aber sieht man die Achtjährige ganz allein unter einer riesigen Birke im Garten sitzen und kann sie dabei beobachten, wie sie ein Buch nach dem anderen verschlingt und mit Ameisen und Katzen spricht. Nachbar Anatole hat Mitleid mit der Kleinen und nimmt sich ihrer an. Gemeinsam lesen sie "Der kleine Prinz" und erkennen, dass die Macht der Emotionen nahezu überwältigend ist. Dieses Wissen lässt Manon ihr Schicksal leichter ertragen. Zumal ihr Vater Pierre am Kummer darüber, dass seine Frau ihn im Stich gelassen hat, zu zerbrechen droht. Und auch Manons Tante Sophie ist dem Mädchen keine Stütze.

So vergehen die Wochen und Monate wie in einer Art Dämmerschlaf, bis Manons Mutter sich eines Tages plötzlich meldet. Sie schickt ihrer Tochter einen Brief, in dem sie ihr versichert, Manon von ganzem Herzen zu lieben - auch wenn sie eine Zeitlang nicht zusammen sein können. Die Wahrheit, weshalb sie nach Marokko geflüchtet ist, steht in dem Schreiben allerdings nicht. Einzig Sophie weiß, dass ihre Schwester sich in einen anderen Mann verliebt hat. Aber anstatt Pierre und Manon davon zu erzählen - und die beiden so vor weiterem Leid zu bewahren -, lässt sie es zu, dass sie sich zu viert auf den Weg nach Nordafrika machen. Manon und Anatole fassen einen Plan, der sie, Pierre und Sophie schon bald auf eine abenteuerliche Reise quer durch Europa führt ...

Große Gefühle, die den Leser zu Tränen rühren, und Unterhaltung, die eine geradezu berauschende Wirkung besitzt, machen aus "Bäume reisen nachts" einen Genuss, für den es nur eines Wortes bedarf: Seufz! Aude Le Corff schafft mit ihrem ersten Roman geradezu hit- wie preisverdächtige Unterhaltung, die jeden bis zur letzten Seite vollkommen gefangen nimmt und einfach umwerfend gut ist. Kein Wunder, denn die Lektüre bedeutet ein Erlebnis, das kaum besser sein könnte als ein Hollywoodfilm. Hier entfaltet sich vor den Augen des Lesers eine Geschichte von großer Intensität und Sprachgewalt - obwohl die französische Autorin eher die leisen Töne sprechen lässt. Kurzum: Von solch einem großartigen (Lese-)Vergnügen kann man sonst nur träumen.

Literatur, die den Leser glücklich zu machen vermag - Aude Le Corffs Worte sind pure Poesie, die im Herzen erklingt wie eine liebliche Melodie, und ihr Debütroman "Bäume reisen nachts" ist definitiv ein Juwel unter den Neuerscheinungen dieses Frühjahrs. Es gibt keinen Zweifel: Die Bücher der französischen Autorin gehören mit zum Schönsten, was dem Leser derzeit passieren kann.

Susann Fleischer
10.03.2014

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