Romane

Pornografisches Lesekino

Was soll ich hierzu schreiben? - Ja, Sie haben richtig gelesen: Was soll ich hierzu schreiben? Dieses Werk macht sprachlos, wortlos, fassungslos. Ich versuche es nichtsdestotrotz: Wenn es so etwas wie ein pornografisches Lesekino gibt, dann ist"Gottweib" ein Musterexemplar, geschildert aus der Ich-Erzählperspektive eines Sexophilen, wie es wohl kaum übertroffen werden kann - und zwar sowohl in Bezug auf Gehalt und Wortwahl wie auch auf Darstellung und Detailtreue.

Der Ich-Erzähler nimmt hier alles andere als ein Blatt vor den Mund. Stattdessen nimmt er wortwörtlich vieles häufig in den Mund! Und was die Frequenz und die Intensität seiner liebestollen Aktivitäten angeht, so bekommt man bzw. frau den Eindruck, es handele sich hierbei um einen "Vollzeitjob", aber dann auch wiederum nicht, denn der Bühnen- oder "DornenKünstler", wie sich der Autor nennt, verlangt inbrünstig aus tiefster Seele danach, beschreibt und empfindet seine Handlungen regelrecht als "Lebenselixier": "Sigmund Freud beschrieb zwei markante Triebe im Menschen. Den Geltungstrieb und den Geschlechtstrieb, und beide, denke ich, sind sehr eng aneinander gekoppelt, was ich bei mir immer wieder ganz bewusst erlebe. Ich möchte auch keinen dieser beiden Triebe in mir leugnen oder unterdrücken, sondern ganz bewusst zu meinem Vergnügen und natürlich für meine Partnerin nutzen, um aus jedem Sexualakt eine erfüllende Sache zu machen. Ich kann auch mit Sicherheit sagen, dass genau diese beiden Triebe für mich Motivation, Lebensfreude, Lebenssinn, Erotik usw. bedeuten."

Bedarf es da noch weiterer Worte? "Wes das Herz voll ist, des geht der Mund über", so artikuliert es der Apostel in Matthäus 12,34. Und so sieht sich der Autor denn auch durchaus als von Gott geschaffenes Wesen, welches durch das Ausleben seiner Sexualität seine eigentliche, seine ureigenste "Bestimmung" erfüllt: "Es würde auf der Welt keinen Bewohner geben, gäbe es nicht die Fut, Muschi, Kröte, Feige usw. [...] Wir hörten als Kinder, die Fut sei ein Raubtier und ernähre sich von Vögeln, was für uns fast unvorstellbar war. Aber etwas später erlebten wir am eigenen Leib die Wahrheit dieses Witzes. Sie wurde uns von Gott als Lustobjekt geschenkt, um sie in Ekstase vollzuspritzen, um daraus neues Leben zu schaffen, so sehe ich den tiefgründigen Sinn der Fut." Und an anderer Stelle schreibt er: "Das Leben ist bei genauerer Betrachtung ein einziges Wunder, das unzählige viele schöne Dinge zu binden vermag, wie Essen, Angeln, Jagen, Wein, Ficken usw. An dieser Stelle DANKE an die Schöpfung für alles!"

So ist es denn auch nur konsequent oder äquivalent, dass er das "Weib" zum "Gottweib" erhebt, wie er auch im Buchtitel hervorhebt: "Nun war auch meine Zeit gekommen, und ich vögelte wie der Weltmeister, und kurz darauf spürte auch ich meinen Höhepunkt herannahen und zog meinen Lümmel aus der zuckenden Grotte, um ihr meinen heißen Saft auf den nackten Rücken zu spritzen. Mit der Hand begann ich mein Sperma wie eine Hautcreme auf den Rücken meiner Kleinen zu verteilen, und im Mondschein glänzte er wie von Tausenden Kristallen übersät. Als sie tief atmend auf der Bank kniete und ihre Brüste dabei leicht gehoben und gesenkt wurden, dachte ich an den Buchtitel 'Gottweib'. Wieder einmal hatten der ewige Jagdtrieb und der unauslöschliche Geschlechtstrieb ihren Höhepunkt gefunden."

Hirnloses, unkontrolliertes Ausleben von Trieben unter Ausschaltung jeglicher Intellektualität? Weit gefehlt! Der Verfasser sieht sich keineswegs als "Opfer" seiner eigenen Triebe. Er verfolgt bewusst und fest umrissen "geistige Ziele" in, mit und durch eine "reflektierte Sexualität": "Da auch für den Sexualakt mit all seinen Ausführungen ein Energieaufwand nötig ist, versuche ich, bei all diesen Erlebnissen sehr bewusst mit meinem Energiehaushalt umzugehen und nur so viel Energie wie notwendig zu verbrauchen, um für alle anderen schönen Dingen des Lebens noch genügend Energie zu sparen. Aus unzähligen Büchern, Seminaren und Vorträgen stellte ich mir meine eigene Philosophie zum Thema erfüllende Sexualität zusammen. Stand am Anfang meiner Sexualkarriere noch der Orgasmus im Hauptfokus des Geschehens, so ist es heute der Weg dorthin, der für mich noch viel interessanter abläuft als vor Jahren. Wenn ich mit meiner Freundin intim werde, so zählt für mich jeder Augenblick des Geschehens, und ich erlebe das intensive Küssen schon als geistigen Höhepunkt und genieße ganz bewusst jede Sekunde des Geschehens sehr intensiv. Von 100 Geschlechtsverkehren enden heute 90 ausschließlich und mit tiefster Befriedigung im geistigen Orgasmus des Erlebten. Der Anblick einer schönen, leicht bekleideten, paarungsbereiten Partnerin lässt in meinem Körper Glücksgefühle nur so explodieren, und so gelingt es mir, einen Höhepunkt an den anderen ohne Ejakulation zu erleben. Am Ende der Verschmelzung habe ich dann noch genug Energie, um alle anderen schönen Dinge des Lebens intensivst genießen zu können."

"Mein absolutes Lebensziel wäre das Erreichen eines Superbewusstseins nach dem Buch von Merppey, um endlose geistige Freiheit zu erlangen wie Buddha. Allein die Vorstellung dieses Ziels gibt mir unerschöpfliche Lebenskraft und Mut, alle Abenteuer des Lebens bestens zu bewältigen."

Ob diese Ausführungen den Leser nun begeistern oder entgeistern, ob sie ihn anziehen oder abstoßen, anregen oder abtörnen, faszinieren oder entmoralisieren, beflügeln oder entflügeln, das wird wohl unbeantwortet bleiben, weil Erotik sowie Sexualität und wie Menschen beides erleben so unterschiedlich sind wie die Spezies Mensch selbst.

Alexandra Eryigit-Klos
19.08.2013

 
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Das Buch:

DornenKünstler: Gottweib

Frankfurt am Main: August von Goethe Literaturverlag 2013
82 S., € 9,80
ISBN: 978-3-8372-1281-5

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