Romane
Eine Geschichte , die nachdenklich macht
Es gibt Momente, in denen sich Christian Neumann wünscht, nicht der Chefarzt einer psychiatrischen Klinik zu sein. Eigentlich liebt er seinen Beruf und wahres Glück durchströmt ihn, wenn er einmal mehr einem Patienten helfen konnte, dessen Leben in die eigene Hand zu nehmen. Aber manchmal wünscht sich Christian Abwechslung von seiner stressigen Arbeit und dem täglichen Kampf mit dem starren Kliniksystem sowie ein Zuhause, in dem er ab und zu abschalten kann. Das allerdings will ihm partout nicht gelingen, denn das Haus der Familie steht auf dem Gelände der Klinik, sodass selbst Christians Kinder auf seltsame Weise an den Alltag neben und mit den Patienten gewöhnt sind - ein Zustand, den Christian und seine Frau nur schwer akzeptieren können.
In den siebziger Jahren ist aber alles anders. Patienten werden als billige Arbeitskräfte ausgenutzt, die Schlafsäle sind überfüllt und die therapeutische Begleitung ist unzureichend. Christian stellt sich immer öfter die Frage, ob unter diesen "erschwerten" Bedingungen überhaupt ein "normales" Arbeiten möglich ist - und kommt zu dem Schluss, dass es dringend Reformen bedarf. Diese durchzusetzen ist jedoch ein äußerst schwieriges Unterfangen, denn die Klinikleitung sieht schwere Zeiten auf sich zukommen. Die finanziellen Mittel fehlen, um Änderungen zu bewirken, sodass Christian in seiner Verzweiflung anderweitigen Trost sucht - und zwar in den Armen einer Patientin, in die er sich heillos verliebt hat. Eine Katastrophe scheint unausweichlich ...
30 Jahre später: Christians Tochter Edith kehrt an den Ort ihrer Kindheit zurück - mit jeder Menge Fragen, die ihr schon lange durch den Kopf schwirren. Für die junge Frau ist es auch nach all der langen Zeit ein Rätsel, warum ihr Vater seine ganze Kraft in die Arbeit steckte und sie und ihre Geschwister ständig im Stich ließ. Als sie vor der Klinik steht und Dinge erfährt, die sie damals noch nicht hätte wissen können, beginnt sie zu verstehen, in welcher Spannung zwischen Sicherheit und Freiheitsbedürfnis sich ihr Vater und alle, die mit ihm in dieser geschlossenen Welt lebten, damals befanden. Endlich kann Edith mit dieser Vergangenheit abschließen und Kraft schöpfen für einen Neuanfang.
Simone Regina Adams zieht mit "Die Halbruhigen" den Leser in ihren Bann und beschert ihm Momente des vollkommenen Glücks. Dieser Roman ist ein Meisterwerk voller Poesie und Sinnlichkeit - eben ein außergewöhnliches Vergnügen, dem es an nichts fehlt. Man fühlt sich ganz berauscht von solch einem wunderschönen Erlebnis und die Sinne erfahren einen Hochgenuss, den man so schnell nicht mehr vergessen wird. Mehr Emotionen kann man nirgends finden! Die deutsche Autorin schreibt Geschichten, die zu Tränen rühren und für das Herz eine große Freude bedeuten. Kurzum: Zwischen zwei Buchdeckeln versteckt sich ein (literarischer) Schatz, der jeden umzuhauen vermag.
Susann Fleischer
03.06.2013