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Ein emotionaler Rundumschlag

Der franz?sische Schriftsteller Marc Levy geh?rt seit seinem Erstling "Solange du da bist" zu den Autoren, deren Romane weder gro?e Gef?hle noch das ?bersinnliche bzw. Esoterische vermissen lassen. Levys neuester Roman "Wer Schatten k?sst", der nach seiner Ver?ffentlichung 2010 in Frankreich wochenlang den ersten Platz der Bestsellerlisten belegte, ist in dieser Hinsicht keine Ausnahme. Die Liebe zwischen Mutter und Kind, eine lebenslange Freundschaft, die gro?e Liebe und all die Fehler, die man als Heranwachsender macht - dies alles findet man im neuen Werk des in New York lebenden Franzosen.

"Finde f?r jeden von denen, deren Schatten du mitnimmst, dieses kleine Licht, das ihr Leben erhellt." Das ist der Auftrag, den der Schattendieb, der Protagonist und Ich-Erz?hler des Romans, von seinem eigenen Schatten erh?lt. Als kleiner Junge bemerkt er, dass er die Schatten anderer Menschen "klauen" kann, wenn diese sich mit seinem kreuzen. Dabei kann er nicht nur die Vergangenheit, sondern auch die Zukunft dieser Menschen sehen. Er erf?hrt ihre schlimmsten Geheimnisse und ihre gr??ten Bed?rfnisse. Diese Gabe bef?higt den Schattendieb, Menschen dabei zu helfen, ihre Tr?ume zu leben, anstatt nur ihr Leben zu tr?umen.

Doch leider bewahrt ihn seine Gabe nicht davor, Fehler zu machen - sowohl bei den Ratschl?gen, die er seinen Freunden gibt, als auch in seinem eigenen Leben. Als junger Erwachsener scheint der Ich-Erz?hler, der nun angehender Arzt ist, die Gabe des Schattenstehlens v?llig vergessen zu haben, bis er eines Tages im Krankenhaus einem kleinen Jungen begegnet, dem - wie es scheint - kein Arzt mehr helfen kann. Der Schattendieb erinnert sich daran, wie ihm als Kind die Schatten anderer Menschen ihre Probleme anvertraut haben. So gelingt es ihm auch, dem kleinen Jungen, der mit niemandem redet, seine Geschichte zu entlocken.

Was sein eigenes Lebensgl?ck betrifft, ist der Ich-Erz?hler weniger erfolgreich: Als er noch ein kleiner Junge ist, verl?sst der Vater die Familie. In der Schule wird er gemobbt und muss zusehen, wie sein gro?er Schwarm Elisabeth mit seinem Erzrivalen Marqu?s zusammenkommt. W?hrend seines Medizinstudiums erkrankt seine Mutter schwer und stirbt. Doch auch wenn er das Leben seiner Mutter nicht retten konnte, so bleibt ihm vielleicht eines, das er retten kann - n?mlich seine gro?e Liebe ...

Levy spricht in seinem Roman so viele Themen an, dass es schwer zu glauben ist, man k?nne all diese in 250 Seiten ersch?pfend und f?r den Leser erhellend behandeln. Doch in seinem fl?ssigen Schreibstil und ohne unn?tiges Pathos beschreibt Levy die komplizierte und doch so simple Liebe zwischen Mutter und Sohn, eine alle Zeiten ?berdauernde Freundschaft zwischen zwei Jungs, die Sorgen und N?te eines Mobbingopfers und die starken Gef?hle, die einem die gro?e Liebe auch Jahre nach der Trennung noch wiederfinden lassen.

Nimmt man sich, nachdem man das Buch ausgelesen zur Seite gelegt hat, noch eine Weile Zeit, ?ber die vielen kleinen Weisheiten, die Levy gekonnt wie das Salz in der Suppe zwischen die Zeilen und Seiten streut, nachzudenken, muss man feststellen, dass das, was als Roman getarnt ist, eigentlich ein versteckter Lebensratgeber ist. Die Geschichte des Ich-Erz?hlers k?nnte jedermanns Geschichte sein. Weder der Name des Protagonisten noch Ort und Zeit werden je genannt. Auch die F?higkeit des Schattenstehlens erscheint einem pl?tzlich nicht mehr besonders ?bersinnlich. Sie sollte vielmehr als ein Pl?doyer f?r ein wenig mehr Einf?hlsamkeit gegen?ber unseren Mitmenschen verstanden werden, ein Blick hinter die Fassade gewisserma?en.

Wie alle seine Romane ist auch Marc Levys neuestes Werk wieder ein echter Pageturner, bei dem sicherlich wenige Augen trocken bleiben werden und der bei der weiblichen Leserschaft wie gew?hnlich auf Begeisterung sto?en wird.

Sabine Mahnel
29.05.2012

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