Romane

Maulheld und Muskelprotz?

Salopp gesagt: F?r den Roman "Meine Schwester ist eine M?nchsrobbe" l?sst man gern einen geplanten Kinobesuch sausen. Der Roman selbst ist k?stliches Kino. Vorz?glich in den Dialogen. Gut f?rs gro?e Gel?chter und f?rs klammheimliche kollektive Kichern. Geschrieben hat diesen Roman der 1973 in Turin geborene Christian Frascella, der ganz Italien mit seinem 2009 erschienenen Deb?t unterhalten hat. Nun sind wir dran!

Was eine "M?nchsrobbe" ist? Muss man das wissen? Muss man nicht! Statt "M?nchsrobbe" k?nnte auch "Klausurnonne" gesagt werden. Und, das sagt er auch, der Ich-Erz?hler, der alles tut, um seinen Namen zu verschweigen. F?r seine Schwester Francesca findet die br?derliche Kratzb?rste zun?chst kein freundliches Wort. F?r wen hat er das ?berhaupt, dieser Knabe, der so fest eingeklemmt ist zwischen Baum und Borke? Also einer der Jugendlichen zwischen Sechzehn und Achtzehn ist, die nicht wirklich was wissen vom Woher und schon gar nichts vom Wohin. Der Knabe ist ein Kindskopf. Oder ist er ein Schwachkopf? Oder ist er die "Dumpfbacke", als die ihn die Anderen sehen? Zum Beispiel der "Chef", wie er den Vater nennt, der sich auch nicht mit Ruhm und Reichtum bekleckert hat. Wie auch immer, was auch immer.

Die flapsigen, frechen, flotten Spr?che sind mehr als nette Unterhaltung f?r die Leser. Genauer hingeh?rt wird sehr schnell klar, wie konfliktgeladen die Spr?che des B?rschchens sind. Der Junge ist nicht nur ein rotziger Maulheld. Er ist nicht nur ein properer Muskelprotz. Einer von der Sorte, dessen Selbstgewissheit und Selbstsicherheit seine eigentliche St?rke scheint. Nat?rlich eine eingeredete St?rke, die den tats?chlich Schwachen stets zum Unterlegenen macht. Das hei?t, er bekommt st?ndig was aufs Maul. Und zwar ordentlich.

Um so richtig eingestimmt zu werden, beginnt der Roman mit den Worten: "Wir pr?gelten uns ausgiebig ..." Hinreichend darauf eingerichtet, es mit einem k?rperlichen wie geistigen Raufbold und einer ruhenden Seele aushalten zu m?ssen, steigert der Autor, Kapitel f?r Kapitel, die Dramatik des Romans. Was zun?chst so pubert?r und unpolitisch daherkommt, wird immer deutlicher ein Roman der Verletzung einer Generation, die weit genug weg ist von der faschistischen Vergangenheit und der unerf?llt gebliebenen kommunistischen Zukunft. Scheinbar!

Eher indirekt denn direkt schimmert etwas von den verlorenen gesellschaftlichen Visionen durch. In der realen Arbeitswelt wird der Pubert?re ?berraschend schnell trocken hinter den Ohren. Der vermeintlich verantwortungslose Flachs kommt sehr schnell sich und seinen wirklichen F?higkeiten nah, also seiner Verantwortung, seiner Liebe zu den Menschen, einschlie?lich der zur Schwester. Ein Junge lernt, "ein Leben aufzubauen", wie man so sagt. Wie aber das machen? Ein Leben aufbauen? Das "arme W?rstchen", das sich zun?chst als phantastischer, phantasievoller Wirklichkeitsverdreher zeigt, kommt bei sich, in seiner Wirklichkeit an. Dieses Wachsen und Werden zu sehen und mitzumachen, macht keineswegs wehm?tig.

Wenn der Roman "Meine Schwester ist eine M?nchsrobbe" auch einiges an Frechheit und Fr?hlichkeit zwangsl?ufig einb??t, er bleibt ein Vergn?gen. Auch dann, wenn er ein ernsthaftes Vergn?gen wird. Christian Frascella ist ein Autor, der einen Unterhaltungsroman geschrieben hat, der literarisch unterh?lt. Die Vorfreude ist, das kinofertige St?ck auf der Leinwand zu sehen. Auf Wiedersehen, denn!

Bernd Heimberger
12.03.2012

 
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Das Buch:

Christian Frascella: Meine Schwester ist eine Mönchsrobbe. Aus dem Italienischen von Anette Kopetzky

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Frankfurt am Main: Frankfurter Verlagsanstalt 2012
317 S., € 22,90 Euro
ISBN: 978-3-627-00181-0

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