Romane
Verbotene Freiheit?
Schauplatz ist ein Friedhof im "very British" London von 1901: Der Tod von Queen Victoria bringt zwei Familien, wie sie unterschiedlicher nicht sein können, an ihren ehrwürdigen Nachbargräbern zusammen: Die Waterhouses, eine traditionsbewusste Familie; modern und aufgeklärt die Familie Coleman. Aufgrund der gravierenden unterschiedlichen Lebenseinstellungen gehen sie sich gern aus dem Weg, doch zum gegenseitigen Missfallen freunden sich die beiden kleinen Töchter Maude und Lavinia miteinander an. Nicht nur der morbide Charme des Friedhofs zieht die beiden Mädchen immer wieder an diesen Platz, es zieht sie ebenso zu Simon, dem aufgeweckten Sohn des Totengräbers, mit dem sie zarte Bande knüpfen. Simon wiederum beobachtet mit großem Interesse die heimlichen Ausflüge von Kitty Coleman, Maudes eleganter Mutter, und Jenny, dem Dienstmädchen der Colemans, die ihn sehr verwundern. Aber er schweigt und wird zum stillen Zeugen der weiteren Geschehnisse: Kitty Coleman unternimmt einen gewaltigen Schritt in ihre persönliche Freiheit. Sie engagiert sich für die WSPU und wird zur Suffragette. Ihr Mann, Richard Coleman, tobt wegen des Ansehens der Familie, wegen der Schande, die das für seine Mutter bedeutet. Der Skandal löst einen Strudel tödlicher Ereignisse zwischen den zwei unterschiedlichen Familien aus. Tragische Ereignisse nehmen ihren Lauf und verknüpfen Simons Schicksal mit dem der Colemans und Waterhouses unausweichlich miteinander.
Wenn Engel fallen ist ein äußerst einfühlsam und stellenweise auch sehr emotional geschriebener Roman über die Entwicklung der Kindheit, sexuelle Befreiung, über Tod und schuldhafte Verstrickungen. Vor dem historischen Hintergrund einer scheinheiligen viktorianischen Gesellschaft entfaltet sich das Schicksal der Protagonisten in direkter Wechselwirkung mit ihrem sozialen Beziehungsfeld und unübersehbar zeigt sich das Gesicht einer Gesellschaft zwischen bröckelnder Tradition und dem Aufbruch in die Moderne.
hmw
15.07.2002