Romane
Edel sei der Mensch , hilfreich und gut
Spätestens seit dem Film Das Fest wissen wir, dass Familienfeiern explosiver sein können als gemeinhin erwartet. Wenn wir lesen, mit welchem inneren Widerstreben (hervorragend beschrieben!) sich die fünf Teilnehmer einer Family-Farewell-Party zu dem New Yorker Hotel aufmachen, in das Laura eingeladen hat – dann schwant uns nichts Gutes.
Der ursprüngliche Titel dieses aus dem Amerikanischen übersetzten Romans heißt "The Widow’s Children". Die Familie Maldonado besteht aus der verwitweten Mutter/Großmutter Alma(sie ist an diesem Morgen gestorben; nur ihre Tochter Laura wurde davon informiert, verschweigt diese Nachricht jedoch) und ihren Kindern: zwei älteren Junggesellen und Laura. Clara, eine junge Frau und Lauras einziges Kind, lebt nur, weil die Schwangerschaft zu spät für eine Abtreibung entdeckt wurde ...
Als "dunkle Mitte der Familie" wird die Verstorbene im Klappentext bezeichnet. Damit werden die Vorstellungen des Lesers allerdings in eine falsche Richtung gelenkt. Als 16jährige Spanierin wurde Alma an einen wohlhabenden, deutlich älteren Mann nach Kuba verheiratet. Sie wird Witwe, verarmt und ist völlig überfordert mit ihrer Situation und den drei Kindern. Das hat zwar verheerende Auswirkungen auf diese Menschen – aber dies Schicksal ist doch eher bitter als dunkel.
Der Abend nimmt seinen Lauf. Der Alkohol fließt in Strömen – nur so kann man einander ertragen. Alte Prägungen und Verletzungen sowie enttäuschte Erwartungen und Hoffnungen brechen auf. Und Laura - Laura schweigt. Laura spielt ihre alten Machtspielchen und erstaunlicherweise spielen alle sie wieder mit.
Lohnt es, dies Buch zu lesen? Laura, die dominante Schwester / Ehefrau / Mutter kennen zu lernen, ist schon ein Erlebnis. Die Kämpfe, die sie sich mit ihrer Familie liefert – sie rauben einem manchmal den Atem. Die wirksamen Mechanismen und Verstrickungen, der Wunsch und die Unfähigkeit, sich davon frei zu machen – Paula Fox hat sie anschaulich und unter die Haut gehend beschrieben. Oder kennen Sie das nicht, dass Sie es eigentlich gar nicht wollen, aber dennoch sich aufrappeln und zu einem vorhersehbar schrecklichen Abend eilen, per Taxe, per Auto oder per pedes?
fms
15.07.2002