Romane

The "Clash of Civilisations"

The "Clash of Civilazations" (Huntington) – hier haben wir ihn anschaulich beschrieben!
Eine junge Europäerin, die die ersten Jahre ihres Lebens in Japan verbrachte und seither eine tiefe Liebe zu diesem Land in sich trägt, hat es geschafft, bei einer großen japanischen Firma einen Einjahresvertrag als Übersetzerin zu bekommen. Die Voraussetzungen, die sie mitbringt, sind also nicht schlecht: Sie versteht Sprache und Kultur, sie hat ein abgeschlossenes Studium und, vor allem, sie will. Sie will etwas leisten, will etwas für "ihr" Unternehmen tun.
Aus unerfindlichen Gründen wird sie der Buchhaltungsabteilung zugeteilt. Dummerweise ist die junge Sprachwissenschaftlerin mit "Anarithimetismus" geschlagen, dem mathematischen Gegenstück zum Analphabetentum. Eine bis Monatsende zu erledigende Arbeit kann und kann sie einfach nicht lösen; sie bleibt in den letzten drei Nächten sogar im Büro – dennoch, sie schafft es nicht. Was vorauszusehen war. Von westlichen Vorgesetzten würde man erwarten, dass sie im Sinne der Firma einen Angestellten seinen Fähigkeiten entsprechend einsetzen. Bei Yumimoto ist es wichtiger, die Menschen in die Hierarchie einzubinden, sie klitzeklein zu machen. Erst das Eingeständnis, mit diesen Kontrollrechnungen überfordert zu sein, entbindet sie davon; übrigens erledigt ihre Vorgesetzte, Fubuki, die Sache "in 20 Minuten". Der Schaden, den Amélie für das Unernehmen bewirkt, ist nicht unerheblich. Der Leser wundert sich, dass keine der beiden Seiten eine Kündigung in Erwägung zieht - aber das würde Gesichtsverlust bedeuten. Apropos Gesicht – der Schönheit von Fubuki wird ein hohes Lied gesungen. Und "singen" = schreiben, das kann diese Autorin!
Als sie für eine andere Abteilung eine hervorragende Expertise verfasst, denkt der Leser, nun sei ihr Weg in diesem Unternehmen klar. Aber es kommt sehr anders ... Nach dieser Lektüre wundert man sich nicht, dass die japanische Wirtschaft krankt. Man wundert sich, dass sie einmal so stark war.


Mit Staunen und Zittern hatte man sich im alten Japan dem Kaiser zu nähern, so sah es das Hofprotokoll vor. Im Japan des Jahres 1990 gilt diese Verhaltensregel offenbar jedem Vorgesetzten gegenüber. – Das Durchhaltevermögen der jungen Europäerin ist bewundernswert. Was sie erträgt: Dagegen ist Mobbing in Deutschland ein Kinderspiel. - Ein erfrischendes, interessantes, sprachlich hoch erfreuliches Buch!

fms
15.05.2002

 
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Das Buch:

Amélie Nothomb: Mit Staunen und Zittern

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Zürich: Diogenes Verlag 2002
ISBN: 3-257-06250-8

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