Romane

Jamaika pur - Ostern 1980

Jamaika befindet sich im Ausnahmezustand. Der politische Umbruch steht unmittelbar bevor.Jean Landing steht auf der Veranda ihres Hauses in Bonnieview Terrace, einem im Bergland gelegenen Vorort von Kingston. Sie blickt auf die von Bergketten umgebene Hauptstadt: Tiefste Armut, die sich in den halbverfallenen Wellblechhütten widerspiegelt, abwechselnd mit prunkvolle Stadthäusern, bestimmen das Landschaftsbild, das gegensätzlicher kaum sein kann.

Stündlich entfachen neue Brandherde überall in der Stadt, die mittlerweile in Kriegszonen unterteilt ist. Überall lauert die Gefahr, in einen Hinterhalt zu geraten. Jean bangt um ihre und die Sicherheit ihrer Familie. Angst regiert die Stadt. Langsam, tief in Gedanken versunken, durchquert sie das Wohnzimmer und begibt sich in den Garten. Wie besessen stürzt sie sich in die Gartenarbeit; gräbt, wühlt in der Erde, als würde sich ihr innerer Aufruhr durch der Hände Arbeit ein Ventil suchen.

Ihre Gedanken beschäftigen sich mit der Zukunft. Die Entscheidung ist gefallen - sie wird hier weggehen. Flucht - dazu hat sie sich entschlossen!Da hört sie Pauls Pick-up die Auffahrt hinaufkommen und geht ihm entgegen. Paul, ihr treuer Freund und Begleiter von Kindheit an. Wie seltsam, daß Paul immer noch im Auto sitzt. Auf was wartet er bloß? Sie erreicht das Ende der Auffahrt und endlich steigt Paul aus - etwas ist geschehen. "Lana ist tot", sagt er mit leiser Stimme.

Am nächsten Tag nach Lanas Begräbnis steigt sie zu Paul in den Wagen. Nun, da ihre Schwester sich auf grausame Weise das Leben genommen hat, will sie so schnell als möglich das Land verlassen. Paul wird ihr bei der lebensgefährlichen Flucht helfen. Quer durch das Land bringt er sie zu einem kleinen, privaten Flugplatz, da es nahezu unmöglich ist, das Land offiziell zu verlassen. Um nicht aufzufallen, wird sie mit einem falschen Paß und nur mit dem, was sie auf dem Leib trägt, zu ihrem Freund Alan in die Vereinigten Staaten reisen. Auf der Fahrt schweifen Jeans Gedanken in die Vergangenheit. Schicksale, Geburten, Hochzeiten und Todesfälle ihrer Vorfahren beschäftigen sie bis ins kleinste Detail.

Aber – oh, Wechselbad der Gefühle – jedes Mal, wenn der Leser sich mit den historischen Familienmitgliedern vertraut gemacht und in deren vergangene Welt hineingefunden hat, wird er – nur zwei, drei Sätze weiter - unvermittelt wieder in die Gegenwart zurückgeschleudert. Auf diese Weise aus der eher beschaulich anmutenden Vergangenheit herausgerissen, empfindet er die heutige einheimische Slangsprache ("wo issn das schwarze pickney hergekommen") um so brutaler. Als störendes Lesehindernis erweist sich zudem, daß sie gespickt ist mit jamaikanischen Begriffen, die allesamt im Glossar nachgeschaut werden müssen.

Kurz und gut: das fast nicht zu entwirrende Knäuel der Familienbande, das mühsame Begradigen der zeitlichen Abläufe und das Ordnen der unvermittelten Gedankengänge ist beschwerlich, und es erfordert Disziplin und Durchhaltevermögen, das Buch zu Ende zu lesen. Aber die Arbeit hat ihren Lohn!

lid
30.03.2002

 
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Das Buch:

Margaret Cezair Thompson: Geister im Paradies

CMS_IMGTITLE[1]

München/Zürich: Diana Verlag 2001
431 S.
ISBN: 3-8284-0050-7

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