Romane

Zum Helden muss man nicht geboren sein

Der eher introvertierte Veterinär Kälp kann sich wahrlich nicht als Menschenfreund bezeichnen. Er führt ein zurückgezogenes Dasein auf einem bescheidenen Hof in dem kleinen Bergdorf Attensach, in der Nähe der Schweiz, und scheint lieber Zeit mit seinen Tieren als seinen Mitmenschen zu verbringen. Doch eines Tages kommt Bewegung in Kälps gleichermaßen geruhsames wie fades Dasein. Der mysteriöse Tod des Schreiners Nurbrecht, der alle Anwohner beschäftigt, scheint hierbei nur der Anfang zu sein. Nurbrecht ist im Beisein seines kleinen Sohnes unter ungeklärten Umständen die Kellertreppe seines Hauses hinuntergestürzt. Doch was - oder um genau zu sein, wer - gleichfalls dafür sorgt, dass Kälps Leben regelrecht aus den Fugen gerät, ist eine Frau.

Der taffen Birgit, die mit ihrer Tochter Tabea ihre Ferien in Attensach verbringt, gelingt es tatsächlich, Kälp dermaßen den Kopf zu verdrehen, wie er es eigentlich nicht mehr für möglich hielt. Sie schafft es so, den introvertierten "Tierflüsterer" so weit aus der Reserve hervorzulocken, dass es selbst seiner Umwelt auffällt. Hierzu zählt auch Kälps beste Freundin Una, die die Geschehnisse mit gemischten Gefühlen zur Kenntnis nimmt. Doch leider hat Kälp bald keine Zeit mehr für ein Techtelmechtel, denn das Mysterium um den toten Schreiner wird zunehmend eigenartiger und stets kommen neue ungeklärte Fragen ans Tageslicht. Schließlich wird Kälp klar, dass alles, was bisher geschehen ist, nur der Anfang war und er wohl noch weiter über sich hinauswachsen muss ...

Wer den neusten Streich des österreichischen Autors Michael Wallner mit seinem wunderbar beschriebenen Winterambiente zur Hand nimmt, wird fraglos zuallererst seine allgegenwärtige atmosphärische Dichte bemerken. Wallners Talent, eindringlich-fesselnde Stimmungen und Bilder zu erschaffen, sorgt schon für sich alleine für ein Leseerlebnis, das jedem Bücherfreund im Gedächtnis haften bleiben wird. Zudem stechen die nahezu durchgängig liebenswert-verschrobenen Einwohner des nur oberflächlich idyllischen Attensach ins Auge, bei denen es sich lohnt, sie in bleibender Erinnerung zu behalten. Und hiermit nicht genug: Einen Spannungsbogen, der den Leser bis zum bitteren Ende nicht vom Haken lässt, und eine Liebesgeschichte mit erfrischend wenigen Zutaten aus dem Klischeeregal serviert Michael Wallner gratis dazu. "Kälps Himmelfahrt" erweist sich so als vollendet gelungene Mischung, bei der auch anspruchsvolle Vielleser mit der Zunge schnalzen werden.

Nur eins will "Kälps Himmelfahrt" nicht sein - und das ist ein klassischer Kriminalroman. Hält das Buch doch mehr Nervenkitzel bereit als so manche nach Schema F gestrickte Mordklamotte. Das Ergebnis ist eine fesselnde Geschichte über einen sich wider Erwarten als geborener Sympathieträger entpuppenden Antihelden, in dem mehr steckt, als er selbst vermutet. "Kälps Himmelfahrt" erweist sich so als geistreich-fesselnder Lesestoff, dessen Schreibkunst beeindruckt und dessen erfrischend eigenwilliger Charme jeden Bücherfreund betören wird. Ein Garant für spannende Leseabende voller Atmosphäre jenseits abgetretener Pfade, der auch Kenner begeistern wird.

Johannes Schaack
21.03.2011

 
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Das Buch:

Michael Wallner: Kälps Himmelfahrt

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München: Luchterhand Literaturverlag 2011
320 S., € 18,99
ISBN: 978-3-630-87305-3

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