Romane

Eine Liebe , die nie versiegt

Emilie kann sich noch genau an den Moment erinnern, als ihr Leben aus den Fugen geriet und sie in eine neue Zukunft aufbrach. Bei den Vorbereitungen des Abendessens zu ihrem 25. Hochzeitstag entdeckt sie eine Zeitungsanzeige, in der geschrieben steht: "Emilie, Aix 1976. Komm so schnell wie möglich zu mir nach Genua. Dario." Nur Minuten später sind der Herd ausgeschaltet, die Kerzen gelöscht und Emilie sitzt in ihrem Auto - auf dem Weg in das sonnige Italien. Mehr als dreißig Jahre ist es her, dass das Paar einen magischen Sommer miteinander verbrachte und sich der reinen Liebe hingaben. Inzwischen hat Emilie die Unschuld einer Sechszehnjährigen längst verloren und in Frankreich eine Familie mit Ehemann Marc gegründet.

Mehr als tausend Kilometer liegen zwischen dem Jetzt und dem Einst, zwischen Realität und Illusion. Die Fahrt lässt Emilie die Zeit - und auch den Raum -, um in Erinnerungen zu schwelgen und sich über ihre (unerfüllten) Träume und Wünsche mehr als einen Gedanken zu machen. Und sie erkennt: Weder ihr Gatte noch die drei Töchter spielen in ihrem Leben die größte Rolle, sondern ihre Schwester Christine, die ein Dasein in einem Pflegeheim fristet. Der Grund dafür: Sie leidet unter dem Down-Syndrom, das Familie und Freunde an ihre Belastungsgrenzen bringt. Und doch verkörpert sie jene Leichtigkeit, die vor mehr als drei Jahrzehnten ihr Leben bestimmte. Und das ist es auch, nach dem sich Emilie zurücksehnt.

Eine Frage treibt Emilie voran: Was erwartet sie in Genua? Und ist Dario immer noch der junge Mann von einst, der sie in die Geheimnisse der Liebe einführte? Je näher die 48-Jährige ihrem Ziel kommt, umso mehr flattert es in ihrem Bauch und die Aufregung steigt mit jedem bewältigen Kilometer - bis sie am italienischen Küstenstädtchen ankommt und ihre Erwartungen einen harten Dämpfer bekommen. Nichts ist so, wie sie es sich erträumt und vorgestellt hat. Und doch bereut sie nichts, denn am Ende der Reise wartet eine große Überraschung auf sie - und für ihre nahe Zukunft.

Mit "Die erste Liebe" liegt dem Leser ein literarisches Road-Movie vor, das einen wegen seiner Gefühlstiefe und atmosphärischen Dichte schier umhaut und trotzdem das Herz leicht macht. Véronique Olmi hat hiermit einen Roman geschaffen, in den man sich jedes Mal von neuem verliert und auch verliebt, denn mit Worten weiß die französische Autorin durchaus umzugehen. Es kann sogar passieren, dass sich Tränen in die Augenwinkel stehlen - obwohl man lächelnd der Protagonistin in ihr Abenteuer folgt. Es ist ein Buch, das fröhlich und traurig zugleich stimmt - so wie das Leben, bei dem Freud und Leid dicht beieinanderliegen. Und dies ist es letztlich auch, was die Lektüre von Olmis "Die erste Liebe" so reizvoll macht, denn die Geschichte sind Emotionen und Lebensfreude pur.

Susann Fleischer
14.03.2011

 
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Das Buch:

Véronique Olmi: Die erste Liebe. Aus dem Französischen von Claudia Steinitz

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München: Antje Kunstmann Verlag 2011
288 S., € 19,90
ISBN: 978-3-88897-702-2

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