Romane

Fortsetzung folgt ...

Es gilt als eines der berühmtesten Fragmente der Literaturgeschichte aus der Feder eines der beliebtesten Autoren seiner Zeit. Als Charles Dickens im Jahre 1870 einem Schlaganfall erlag, hatte er "Das Geheimnis des Edward Drood" erst zur Hälfte enthüllt. Die ersten sechs Abschnitte des auf zwölf  Kapitel angelegten Romans waren fertiggestellt und entwickelten sich zu einem der größten Erfolge des britischen Autors. Matthew Pearl erzählt in seinem neuen Roman "Das letzte Kapitel" aus den letzten Lebensjahren des Charles Dickens und die spannende Geschichte der verschollenen, handschriftlichen zweiten Hälfte des "Drood". 

Der Roman beginnt in den Hafenanlagen Bostons mit der Hetzjagd eines Unbekannten auf den jungen Verlagsboten Daniel, der gerade eine kostbare Fracht für seine Vorgesetzten, die Verleger J. T. Fields und James R. Osgood, in Empfang genommen hat. Daniel gerät dabei unter die Räder eines Omnibusses und so gelangen die Seiten, die aus England eingetroffen sind, in den Besitz eines Anwalts, der allerdings nicht lange Freude an seinem unverhofft entdeckten Schatz haben soll und ebenfalls bald gewaltsam sein Leben verlieren wird.

Wie sich herausstellt, versucht nämlich nach dem Tod des Schriftstellers Charles Dickens irgendjemand mit aller Macht zu verhindern, dass posthum noch etwas vom "Geheimnis des Edward Drood" ans Tageslicht kommt. Die Verlagsleute Fields und Osgood haben genau daran aber schon rein geschäftlich ein großes Interesse, da sie die Rechte an der Veröffentlichung des letzten "Dickens" in den USA haben und auf dem Buchmarkt der harten Konkurrenz der Harper-Brüder aus New York ausgesetzt sind, die den Bostoner Verlegern das Leben mit billigen Raubkopien schwer machen.

So begibt sich Osgood zusammen mit seiner Sekretärin Rebecca, der Schwester des tödlich verunglückten Daniel, auf die Reise nach Großbritannien, um in Dickens' Heimat nach möglichen Hinweisen auf das von dem Star-Schriftsteller beabsichtigte und allseits mit größter Spannung herbeigesehnte Ende des "Drood" zu suchen. Osgood findet schließlich heraus, dass es sich beim "Geheimnis des Edward Drood" keineswegs um eine fiktive Geschichte handelt, sondern um einen tatsächlichen Kriminalfall, dessen Aufdeckung die Existenz eines mächtigen Opiumhändlers massiv bedrohen würde. Und so entspinnt sich eine spannende Suche nach dem größten literarischen Vermächtnis des 19. Jahrhunderts, das irgendwo von Dickens persönlich verborgen wurde.

Die Verarbeitung großer Helden der Literaturgeschichte gelingt nur wenigen Autoren derart angemessen und würdig wie Matthew Pearl in "Das letzte Kapitel". Gekonnt spielt er mit typischen Rollenbildern der Zeit um 1870 und erweckt die literarische Legende Charles Dickens auf der Grundlage akribischer Recherchetätigkeit so anschaulich wieder zum Leben, als betrachte man einen biographischen Film. Von der ersten Seite an schlägt das Geschehen den Leser in seinen Bann, wobei Pearl seine Protagonisten durch eine intelligent durchdachte und absolut plausibel erzählte Mischung von historisch belegten Fakten und literarischer Fiktion leitet, die das Weglegen des Buches zur schier unmöglichen Herausforderung macht. Nie langweilig, durchgehend spannend und mit überraschenden Wendungen und Aha-Effekten gespickt, fest im 19. Jahrhundert verwurzelt und doch vollkommen auf der Höhe der Zeit ist "Das letzte Kapitel" von Matthew Pearl ein Roman, der seiner Gattung in der Tradition eines Charles Dickens zur höchsten Ehre gereicht!     

Christian Götz
28.02.2011

 
Diese Rezension bookmarken:

Das Buch:

Matthew Pearl: Das letzte Kapitel. Roman. Aus dem Amerikanischen von Linda Budinger und Alexander Lohmann

CMS_IMGTITLE[1]

Köln: Bastei Lübbe Verlag 2011
510 S., € 8,99
ISBN: 978-3-404-16539-1

Diesen Titel

Logo von Amazon.de: Diesen Titel können Sie über diesen Link bei Amazon bestellen.