Romane
Innere Landschaft - Ein Streifzug durch die Kälte
In die Ein?de f?hrt uns der Stimmungsk?nstler Peter Stamm in seinem neuen Roman Ungef?hre Landschaft: Lappland. Ein Dorf. Eine Kneipe. Eine Fischfabrik. Eine Zollstation, hier arbeitet Kathrine, 28 Jahre, h?bsch, einf?ltig und, man ahnt es, ohne Gl?ck bei den M?nnern. Sie ist geschieden, hat einen Sohn und ist eigenartig beziehungslos. Sie heiratet Thomas, den Produktionsleiter der ?rtlichen Fischfabrik, eine "gute Partie", einer, der einen Strich zieht durch die ungef?hre Landschaft ihres Lebens. Doch ohne zu wissen, weshalb sie ihn geheiratet hat, und nachdem er sich als scheinheiliger L?gner entpuppt, scheitert auch diese Ehe. Sie verl?sst Thomas und f?hrt zum ersten mal gen S?den bis Paris, Boulogne. Sie besucht dort einen D?nen, den sie einst kennen lernte und mochte. Aber auch daraus wird nichts, sie f?hrt zur?ck und heiratet schlie?lich Morten, einen Jugendfreund. Beide verlassen das Dorf: "Kathrine ging zur Arbeit. Sie fuhr mit dem Auto. Sie setzte Randy bei der Schule ab. Er wurde krank und wieder gesund. Er bekam eine Brille. Er wuchs. Kathrine verdiente Geld und kaufte sich Dinge. Sie gebar ein zweites Kind, ein M?dchen ... Es wurde Herbst und Winter. Es wurde Sommer. Es wurde dunkel, und es wurde hell."
Man h?rt hier den typisch minimalistischen Erz?hlsound von Peter Stamm und staunt. Einfacher kann ein Autor die Banalit?ten des Lebens, hinter denen sich ja bekanntlich Dramen verbergen, nicht beschreiben. Es sind stille Dramen, die Geschichte ist trivial und dennoch liest man sie eigenartig gespannt bis an ihr Ende. Stamm spielt, wenn auch gekonnt, mit allerhand Klischees, aber man m?chte wissen, wie es mit Kathrine und ihrem einfachen Leben weitergeht, und ob sie diese Ein?de, die zugleich eine innere Ein?de, eine innere Distanz zu sich selbst und den Menschen ist, ?berwinden kann. Aber das Ende ist offen, wie das Leben selber, und so bleiben wir mit dieser Schwermut, dieser Melancholie, die sich beim Lesen schnell einstellt, allein zur?ck. Denn der Erz?hler wei? noch weniger als Kathrine, in deren N?he er stets lakonisch und leise die Stimme erhebt und gerade deswegen eine Ehrlichkeit und ?berzeugungskraft erreicht, die heute in der Literatur Seltenheitswert hat.
Stamm beobachtet bescheiden, aber er beantwortet nichts, alle Fragen bleiben offen, alles wird mit viel Schnee bedeckt. Aber diese innere Distanz liest sich letztlich als Stimmung in unserer westlichen Gesellschaft, die genau durch diese Beziehungslosigkeit und K?lte gekennzeichnet ist, wie sie uns bei Kathrine auff?llt, eine Gesellschaft, in der ja mehr und mehr versucht wird, in der Distanz Intimit?t herzustellen. Im Internet versuchen Menschen sich nahe zu kommen, was aber scheitern muss. Zur?ck bleibt ein schales Gef?hl von Leere, denn man ist allein geblieben. Diese Stimmung wird authentisch und ?berzeugend wiedergegeben und trifft damit den Nerv der Zeit.
Fra
03.02.2002