Romane

Ein Roman mit Gefühl , Witz und Tiefgang - ganz wie das kunterbunte Leben

Vor ein paar Wochen zerbrach das Leben von Judd Foxman in tausend Scherben. Eigentlich wollte er seine Frau Jen zu ihrem Geburtstag mit ihrer Lieblingstorte überraschen, doch stattdessen erwischte er sie in flagranti mit einem anderen Mann, in seinem Haus, in ihrem Ehebett. Aber das ist noch längst nicht das Schlimmste, denn bei dem heimlichen Liebhaber handelt es sich um Judds Boss Wade Boulanger, ein stadtbekannter Radiomoderator und Macho par excellence. Fast zehn Jahre Ehe und Gefühle der Liebe sind damit wie auf einen Schlag weggewischt - spätestens jedoch, als Jen ihrem Noch-Ehemann ihre Schwangerschaft beichtet. Doch Zeit zum Trübsalblasen bleibt nicht, denn Judd erreicht der nächste Schock, als er vom Tod seines Vaters erfährt.

Judd setzt sich in sein Auto und fährt Richtung Heimat, die er das letzte Mal vor zwei Jahren gesehen hat. Er und seine drei Geschwister versuchen so oft wie möglich Begegnungen zu vermeiden. Sobald sie nämlich aufeinandertreffen, gibt es nur Streitereien. Und manches Mal eskaliert die Situation und die Männer der Familie lösen Differenzen mit ihren Fäusten statt mit stichhaltigen Argumenten. Aber was bleibt Judd anderes übrig? Schließlich steht die Beerdigung seines Vaters an, bei der er ihm die letzte Ehre erweisen will. Und dann gibt es da noch den letzten Wunsch des Verstorbenen: Seine gesamte Familie soll sieben lange Tage Totenwache halten, damit er seine ewige Ruhe findet. In dieser Zeit hocken Judd, seine Mutter, die Geschwister und deren Partner nicht nur 24 Stunden am Tag aufeinander, sondern müssen sich auch noch mit ihren Problemen auseinandersetzen, von denen jeder mehr als eines hat.

Eine Familie, wie es sie nur einmal auf der Welt gibt

Judds Schwester Wendy ist mit einem Mann verheiratet, der weder sie noch seine Kinder sieht und sich hinter den Problemen seiner Firma versteckt. Statt mit seinem traurigen Schwager ein Gespräch von Mann zu Mann zu führen oder gar mal ein nettes Wort an seine Frau zu richten, brüllt er lieber in sein Handy und macht seine Leute zur Schnecke. Wendy hingegen ist als Vollzeitmutter von drei Kindern mehr als überfordert und wünscht sich nichts sehnlicher als einmal Zeit für sich allein. Aber eine Trennung kommt für sie auch nicht in Frage, denn schließlich liebt sie Barry über alles.

Während Wendy ihren Traum von Familie erfüllt hat, bleibt für Judds 16 Monate älteren Bruder Paul und seine Frau Alice der Kinderwunsch unerfüllt. Seit zwei Jahren probieren sie es schon, aber nichts will klappen. Selbst innerhalb der sieben Tage der Trauer werden die Bettfedern aufs Äußerste strapaziert. Dabei sind Peinlichkeiten vorprogrammiert. Allein für die Szene, als Paul und Alice einen Quickie einschieben und die Foxmans und zahlreiche Gäste über das Babyphone dem Liebestreiben zuhören, möchte man Tropper am liebsten küssen. Dabei wünscht sich Alice so verzweifelt ein Baby, dass sie im Keller eine schnelle Nummer mit Judd einlegt - schließlich ist er ein potenter Mann, wie Jens Schwangerschaft beweist.

Und dann gibt es da noch Phillip, der Nachzügler der Familie, der nichts auf die Reihe kriegt. Wie kein Zweiter gelingt es ihm, eine Fehlentscheidung nach der anderen zu treffen und dabei zielsicher in jedes Fettnäppchen zu tappen. Doch diesmal schießt er den Vogel ab, als er seinen lieben Verwandten Tracy vorstellt, seine Verlobte in spe. Doch das ist es nicht, was seine Geschwister und die Mutter so schockieren, vielmehr ist es die Tatsache, dass über 15 Lebensjahre sie voneinander trennen, beide grundverschiedenen Interessen nachgehen und sie eigentlich seine Psychotherapeutin ist. Da sind Konflikte nicht weit. Spätestens aber ab dem Moment, als Ehebrecherin Jen unerwartet vor der Tür steht und Judd über seine zukünftigen Vaterpflichten aufklärt - Wade kann nicht der Vater sein, da er mit Platzpatronen schießt -, und das neue Oberhaupt der Familie ihre Kinder mit ihren sexuellen Neigungen überrascht.

Ein Roman, bei dem einen die Worte fehlen

Jonathan Troppers Roman "Sieben verdammt lange Jahre" ist schlicht und ergreifend großartig, genial, grandios, phänomenal, brillant und noch vieles, vieles mehr. Eigentlich drücken selbst diese kleinen Wörter nicht annähernd das aus, was man schon nach den ersten Leseminuten weiß: Man hat hier ein Werk vor sich liegen, bei dem es einem glatt die Sprache verschlägt - so gelungen ist dieses einzigartige Porträt einer wunderbar skurrilen Familie. Es ist erstaunlich, wie es Tropper gelingt, einen tragischen Inhalt mit dermaßen viel Humor und Herzenswärme vorzutragen, dass man sich geradezu in die Story und die Figuren verliebt.

Warum man das Buch kaufen sollte? Bei der Lektüre fühlt man sich hin- und hergerissen zwischen markerschütternden Lachkrämpfen, herzzerreißenden Heulattacken, sehnsuchtsvollem Aufseufzen und nachdenklichem Kopfnicken. Es ist, als sähe man sich eine hochdramatische Daily Soap an, die mit witzig-skurrilen Szenen durchsetzt ist, sodass man einfach nicht weggucken kann. Da ist die Verwunderung umso größer, wenn man auf der letzten Seite angelangt ist, während man in Gedanken noch bei einer anderen kunterbunten Szenerie verweilt. "Sieben verdammt lange Tage" sind die kurzweiligsten 448 Seiten, die es derzeit auf dem deutschen Buchmarkt zu kaufen gibt. Da ist die Lektüre ein Genuss für die Augen und den Bauch, von dem aus ein warmes Flimmern durch den ganzen Körper geht, nachdem das Buch erst geschlossen ist. Beide Daumen hoch!

Susann Fleischer 
06.09.2010

 
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Das Buch:

Jonathan Tropper: Sieben verdammt lange Tage. Aus dem Englischen von Birgit Moosmüller

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München: Knaur Verlag 2010
448 S., € 16,95
ISBN: 978-3-426-66273-1

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