Romane
Denkwürdigkeiten aus der bayrischen Provinz
Maximilian Steinbeis´ neuer Roman wird geprägt durch Kategorien wie "alpenländisch", "bayerisch", "evangelisch" und "partikularistisch", während sich die Geschichte von Matthias Pascolini und die seines wilden Lebens scheinbar nebenbei entfaltet. Ort der Handlung ist Ettengrub, am Rande Oberbayerns gelegen, "im rückständigsten, ärmsten und verwildertsten Teil Deutschlands, voller verlassener Gehöfte und entvölkerter Dörfer, in seiner in Elend und Gewalt ausfransenden Peripherie". Wichtiger Schauplatz hier ist das Gasthaus Teufelsschlupf, wo Matthias Pascolini, genannt Hias, aufwächst und eine fragwürdige Karriere beginnt.
Was zunächst in Ettengrub mit Wilderei anfängt, entwickelt sich unter der Leitung von Hias, der seine uneingeschränkte Autorität zu Anfang durch einen Mord sichert, schnell zum florierenden Drogenhandel. Die Schmugglerbande und ihr näheres Umfeld halten sich dabei selbst mit reichlich Kokain und Birnenschnaps bei Laune, teils mit verblüffenden, teils mit erschreckenden Resultaten. Bei der kriminellen Energie, die rund um das Dorf zu spüren ist, hält es der evangelische Busunternehmer Heinz-Hubert Scholten, der ein Skiparadies nahe Ettengrub errichten möchte, für unabdingbar, eine Bürgermiliz zu gründen. Eugen Kastenbauer, ehemaliger Kreiskommissar, ist Anführer der Miliz, die diensttaugliche evangelische Männer auf der Straße abfängt, um sie für ihre Sache zu gewinnen. Der einstige Tennisplatz wird zum Miliz-Hauptquartier, aus dem Tennisclub schwarz-weiß Ettengrub wird die schwarz-weiße Bürgermiliz.
Fast beiläufig wird der Hamburger Ludwig "Wig" Vanstraaten von fünf Kugeln durchbohrt, weil er einen Milizionär mit einem Schneeball bewirft. Camilla Friedmann, die es sich als Zeitzeugin zur Aufgabe gemacht hat, dem Leser die wahre Geschichte vom "bayerischen Hiasl" zu erzählen, verliebt sich in Wig, wodurch sich wiederum die Lage anderer Personen zuspitzt. Um die Verhältnisse weiterhin zu verkomplizieren, mischt obendrein ein katholischer Geheimbund mit, der so geheim ist, dass keiner weiß, welche Leute überhaupt dahinter stecken, dem aber umso mehr Taten unterstellt werden.
Wegen der zahlreichen Charaktere hat Steinbeis praktischer Weise ein Personenverzeichnis angehängt. Detailreich beschreibt er in "Pascolini" die ungewöhnlichen Eigentümlichkeiten und Persönlichkeiten der bayerischen Landgesellschaft. Das Ganze erinnert dadurch stellenweise an einen Schwank. Vielleicht ist die Sprache ein bisschen umständlich. Vielleicht wird aber gerade dadurch die etwas gemütliche Umständlichkeit der dargestellten Bevölkerungsgruppe verdeutlicht. Das Ergebnis ist auf jeden Fall eine amüsant-kluge Gesellschaftssatire.
Jennifer Mettenborg
08.03.2010