Romane

232 ,78 Grad Celsius

Bei 232,78 Grad Celsius oder umgerechnet 451 Grad Fahrenheit entzündet sich Papier von selbst. Angelehnt an diesen Wert hatte Ray Bradbury 1953 seinen Roman "Fahrenheit 451" veröffentlicht, der seitdem als zeitloses Werk einen Meilenstein in der Science-Fiction-Literatur darstellt. Die vorliegende, vom renommierten US-amerikanischen Graphic Artist Tim Hamilton illustrierte Graphic Novel, die dieser Tage auf dem deutschen Buchmarkt veröffentlicht worden ist, wird diesem Longseller sicherlich wieder zu einem gehörigen Auftrieb in den hiesigen Buch-Charts verhelfen.

"Fahrenheit 451" spielt in der Zukunft, in einem totalitären Staat, in dem seine Bürger bewusst unmündig gehalten werden. Eine eigene Meinungsbildung ist nicht gestattet, stattdessen berieseln die Medien ihre Rezipienten ständig und gezielt. Der Besitz von Büchern ist strafbar und von der Feuerwehr werden alle noch exisitierenden Exemplare konfisziert und in Schutt und Asche gelegt. Der Einsatz der Feuerwehr zur Brandbekämpfung wird nicht mehr benötigt, da Häuser mittlerweile brandsicher sind. Einer dieser Feuerwehrmänner ist Guy Montag, ein linientreuer Befehlsempfänger bis zu dem Tage, an dem er die 17-jährige Nachbarstochter Clarisse McClellan trifft, die ihn mit ihren naiven Fragen zunächst lediglich ein wenig irritiert, aber letztlich doch die Änderungen in Guys Denken anstößt. Er beginnt zu hinterfragen, was ihn jedoch immer mehr in eine verzweifelte und aussichtslose Lage hineinmanövriert.

Der Transfer von einem Roman hin zu einem Comic - was der triviale Ausdruck für das postmoderne Graphic Novel wäre - ist ähnlich einer Verfilmung eine wahre Herausforderung für den Illustrator. Schließlich muss man die entscheidenden Situationen des Romans in einzelnen Bildern erfassen und die Texte für die Sprech- und Denkblasen entsprechend selektieren, ohne dass Handlung und Intention des Autors verloren gehen. Tim Hamilton ist dies mit dem vorliegenden Werk meisterhaft gelungen. Er entführt den Leser in eine düstere Welt, die er mit seinen Zeichnungen äußerst gelungen transportiert.

Im Vorwort gibt Ray Bradbury interessante Einblicke in die Entstehungsgeschichte von "Fahrenheit 451". Sein Vorschlag, dass jeder Leser ein Buch benennen solle, das er besonders schützen wolle, und darüber hinaus noch eine Begründung anführen solle, warum dieses Buch denn so schützenswert sei, gibt dem Leser vor dem Hintergrund der Geschichte von "Fahrenheit 451" einen ganz besonderen Auftrag mit.

Interpretationen zu "Fahrenheit 451" hat es in den vergangenen Jahrzehnten viele gegeben, zuvorderst natürlich die Kritik am totalitären Staat oder auch die Einschränkung von Gedankenfreiheit. Bradbury selbst hatte allerdings mit seinem Buch vorrangig eine Warnung vor der Zerstörung des Interesses an Büchern durch das Fernsehen aussprechen wollen. Tatsächlich wirkt der Fernsehkonsum in "Fahrenheit 451" in Verbindung mit den interaktiven Fernsehwänden gespentisch, was in der vorliegenden Graphic Novel sehr plastisch zum Ausdruck kommt. Am Ende bleibt auf einer Art metaphysischer Ebene jedoch die Frage im Raum stehen, ob eine Comicfassung von "Fahrenheit 451" nicht vielleicht ein erster Schritt zu der im Buch thematisierten Degeneration von Literatur sein könnte?

Christoph Mahnel
22.02.2010

 
Diese Rezension bookmarken:

Das Buch:

Ray Bradbury: Fahrenheit 451. Die Graphic Novel. Aus dem Englischen von Fritz Güttinger. Mit Illustrationen von Tim Hamilton

CMS_IMGTITLE[1]

Frankfurt am Main: Eichborn Verlag 2010
156 S., € 22,95
ISBN: 978-3-8218-6106-7

Diesen Titel

Logo von Amazon.de: Diesen Titel können Sie über diesen Link bei Amazon bestellen.