Romane

Der Buchhändler , das unbekannte Wesen

Nicht immer zeichnet sich ein Roman dadurch aus, dass viel in ihm passiert. Régis de Sá Moreiras "Das geheime Leben der Bücher" ist ein solcher Roman. Und trotzdem hat er viel zu erzählen. Der Autor gibt Einblicke in das skurrile Dasein eines namenlosen Buchhändlers in einer Stadt, die ebenfalls keinen Namen trägt. In seinem unscheinbaren Laden spielt sich so manches ab, das im Grunde genommen völlig unwesentlich ist und trotzdem ein ganzes Leben bestimmt.

Er ist ein komischer Kauz, der Buchhändler, den Régis de Sá Moreira zum Protagonisten seines ersten Romans auserkoren hat. Vermutlich ist er sogar der erste Vertreter seiner Zunft, der sich als "Romanheld" hervortut, auch wenn man sich schwer tun wird, ihn als solchen zu bezeichnen. Denn eigentlich ist er vielmehr ein Antiheld: Er hat keine Freunde mehr, trauert den drei Frauen seines Lebens hinterher, die er zu einer großen verlorenen Liebe vereint, und verlässt niemals sein Geschäft. 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche, 52 Wochen im Jahr - seine Buchhandlung ist immer geöffnet.

Das Besondere an unserem Buchhändler ist die Tatsache, dass er Schund strikt ablehnt und alle Bücher in seinem Laden, die er wie Lebewesen behandelt, selbst gelesen hat. Das Lesen von Büchern bedeutet für ihn das größte Glück, denn nur bei der Lektüre hat er das Gefühl, geliebt zu werden. Ja, er träumt sogar davon, dass er liest, und zwar bezeichnenderweise in einem Buch, in dem nichts geschieht. So stellt sich dem Leser unweigerlich die Frage, ob das, was er da selbst gerade liest, der Wahrheit entspricht, oder nur der geträumten Wirklichkeit des Buchhändlers.

Nicht jedes Buch hat die Antwort auf die großen Fragen, die uns umtreiben, das sieht der Verfasser dieses Romans genauso, wenn er der Kneipe gegenüber der Buchhandlung diesbezüglich eine ganz besondere Bedeutung zuschreibt. Und doch hat sich die Philosophie bei dem Buchhändler eingenistet, und doch sucht der Dalai Lama bei ihm nach dem Buch des Lebens, und doch geht Gott selbst bei ihm ein und aus, auch wenn er sich manchmal ärgert und den Laden dann wütend verlässt.

Letztlich hält uns Régis de Sá Moreira mit der Figur des Buchhändlers und seinem Roman gewissermaßen einen - wenn auch zersplitterten - Spiegel vor, in dem wir uns zumindest bruchstückhaft wiedererkennen werden. So sollte man sich mit diesem Buch zurückziehen, seine ganz eigene Atmosphäre auf sich wirken lassen und es machen wie der Buchhändler, der einzelne Seiten aus seinen Büchern herausreißt und seinen Geschwistern schickt, und einfach das in sich aufnehmen, was einem gerade wichtig erscheint.

Christian Götz
18.01.2010

 
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Das Buch:

Régis de Sá Moreira: Das geheime Leben der Bücher. Aus dem Französischen von Anna Krantz

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München: Knaur Taschenbuch Verlag 2010
176 S., € 7,95
ISBN: 978-3-426-63599-5

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