Romane

Musik als letzte Fluchtmöglichkeit

Bei einem Gastspiel in Krakau lernt der Musiker Climent die polnische Geigenspielerin Regina kennen. Sie und ihr Instrument beeindrucken ihn in solchem Maße, dass er unbedingt wissen möchte, was es mit Reginas Geige auf sich hat. Und Regina erzählt ihm die Geschichte der "Violine von Auschwitz", eine Geschichte, die einen kleinen Lichtschein auf Deutschlands dunkelste Stunden wirft und von Schrecken wie Anmut gleichermaßen geprägt ist.

Der jüdische Geigenbauer Daniel ist im "Dreiflüsselager", einem Nebenlager des KZ Auschwitz, inhaftiert. Die dortigen Lebensbedingungen sind denkbar schlecht: Täglich wird bis zur Erschöpfung gearbeitet, das Essen füllt kaum den Magen und die herrschende Kälte fordert ihren Tribut. Trotz dieser widrigen Umstände gibt es aber auch kleine Lichtblicke in Daniels Leben: Seine Nichte konnte durch eine Adoption zweier Arier gerettet werden, seine Zukünftige arbeitet in einer Fabrik, deren Besitzer es gut mit den Juden meint, und auch er findet in seiner schwersten Stunde Freunde, die immer ein offenes Ohr für ihn haben. Die größte Herausforderung steht Daniel allerdings noch bevor, als er vom Lagerkommandanten den Auftrag bekommt, eine Geige nach den Maßen einer Stradivari zu bauen.

Für Daniel ist die ihm übertragene Aufgabe wie heller Sonnenschein an einem trüben, kalten Wintertag. Während der Arbeit kann er für kurze Zeit die Gräuel im Lager vergessen und versinkt in seine eigene Welt, in eine Welt voller Eleganz, Anmut und Schönheit. Bald darauf muss Daniel allerdings eine schockierende Entdeckung machen: Der Auftrag ist Gegenstand einer abscheulichen Wette. Sollte die Geige nicht den Vorstellungen des Kommandanten entsprechen, muss Daniel als Versuchskaninchen für die perfiden Experimente des KZ-Arztes Rascher herhalten. Seine Unterkühlungsexperimente sind berüchtigt und haben bereits viele Menschen das Leben gekostet. Es bleibt Daniel nicht viel Zeit, um die vollkommene Geige zu bauen.

Maria Àngels Anglada führt in "Die Violine von Auschwitz" dem Leser die Allmacht der musischen Künste in einer Welt der Grausamkeiten vor. Die Autorin erzählt das Schicksal eines KZ-Insassen so authentisch, detailreich, wirklichkeitsgetreu und zugleich schockierend, dass der Leser eine Gänsehaut bekommt, die bis zu den letzten Seiten anhält. Die Geschichte berührt, reißt mit und hinterlässt ein Gefühl von unbändiger Traurigkeit. Der vorliegende Roman verschleiert nicht, sondern zeigt unverstellt ein Bild eines menschenunwürdigen Lebens und rüttelt so nachfolgende Generationen wach - für Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft.

Susann Fleischer
21.12.2009

 
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Das Buch:

Maria Àngels Anglada: Die Violine von Auschwitz. Aus dem Katalanischen von Theres Moser

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München: Luchterhand Literaturverlag 2009
176 S., € 18,95
ISBN: 978-3-630-87326-8

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