Romane

Sexsüchtiger Verlierer unterwegs

Zwanzig Jahre nach seiner ersten epischen Erzählung bringt der australische Musiker und Dichter Nick Cave mit "Der Tod des Bunny Munro" seinen zweiten Roman heraus. Glücklicherweise ist es auch diesmal keine typische Musikerautobiographie, obwohl sicherlich gewisse Parallelen zwischen dem Autor und seinem monströsen Protagonisten Bunny Munro zu finden sind.

Ort der Handlung ist Brighton, Caves Wahlheimat. Scheinbar erfolgreich verkauft hier der Vertreter Bunny Englands einsamen und unbefriedigten Hausfrauen Kosmetikprodukte und den Traum vom Glück. Eine Arbeit, die mit seinem gesteigerten sexuellen Verlangen ausgesprochen kompatibel ist und bei der seine Alkoholkrankheit nicht weiter stört. Trotz oder vielleicht gerade wegen seines desolaten Zustandes ahnt Bunny, dass er verdammt ist und bald sterben wird. Der Leser sieht ihm bei diesen elenden letzten Tagen im Leben zu.

Bunnys Welt ist durch und durch sexualisiert. Seine sexuellen Phantasien fangen leider bei einem dreijährigen Mädchen an und hören bei einer sterbenden Drogensüchtigen noch nicht auf. Das bleibt auch seiner Frau Libby nicht verborgen. Vielfach betrogen und allein gelassen nimmt sie sich gleich zu Beginn der Erzählung das Leben. Vollkommen überfordert mit dem Tod seiner Frau und im Hinterkopf das wiederkehrende Gefühl, einen Fehler gemacht zu haben, droht Bunny, den Boden unter den Füßen zu verlieren. Hinzukommt sein seltsamer Sohn, der neunjährige Bunny Junior, um den er sich von nun an kümmern muss und keine Ahnung hat, wie das gehen soll. Vom Wahnsinn verfolgt und weil ihm nichts anderes einfällt, startet Bunny mit dem Kind, mit dem er sonst nicht weiß wohin, einen kopflosen Verkaufstrip durch die Vororte von Brighton. Während er durch seine letzten Tage jagt, ist nur ein einziges Ziel klar erkennbar: So viel Sex zu haben wie nur eben möglich.

Bunny Junior ist der unschuldige Gegensatz zum kaputten Bunny. Der Junge liebt und verehrt seinen Vater bedingungslos, auch wenn er von nun an Tag für Tag im Auto warten muss, während Bunny mit seinem Musterkoffer in den Wohnungen verschwindet. Erst zum Ende des Trips wird Bunny Junior "klar, dass er schon seit einiger Zeit Passagier an Bord eines Flugzeuges ist, dessen Pilot sternhagelvoll am Steuer sitzt und das von überhaupt niemanden gesteuert wird, wie er jetzt feststellen muss, nachdem er mal im Cockpit nachgeschaut hat." Logisch, dass das am Ende nicht gut gehen kann.

"Der Tod des Bunny Munro" umfasst nur wenige Tage, in denen Bunnys Wahnträume mit der gleichen Ernsthaftigkeit dargestellt werden wie die Realität. Etwas anderes hätte bei Nick Cave, der mit dem Schreiben der Geschichte übrigens während einer Tour anfing, auch verwundert. Dass sich der Roman beinahe wie ein Roadmovie liest, liegt vielleicht nicht zuletzt daran, dass er aus einem Filmdrehbuch hervorgegangen ist. Den Bezug zur Musikszene begrenzt Cave hauptsächlich auf Bunnys Masturbationsphantasien. Besonders Kylie Minogue in ihren goldenen Hotpants und Avril Lavigne scheinen hier unverzichtbar. Dass Cave sich am Ende bei den beiden Sängerinnen entschuldigt, ist durchaus angemessen. "Der Tod des Bunny Munro" und vor allem sein Leben ist für die Leser, die sich von einer harten, direkten, aber durchaus auch poetischen Sprache nicht abschrecken lassen.

Jennifer Mettenborg
09.11.2009

 
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Das Buch:

Nick Cave: Der Tod des Bunny Munro. Aus dem Englischen von Stefanie Jacobs

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Köln: Kiepenheuer & Witsch Verlag 2009
320 S., € 19,95
ISBN: 978-3-462-04129-3

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