Romane

Zurück zu den 20ern

Eigentlich sah der Plan der 27-jährigen Londonerin Lara Lington bisher gar nicht so schlecht aus: Sie will ihren Freund Josh eines Tages ehelichen und eine große, glückliche Familie gründen. Und ganz nebenbei arbeitet sie erfolgreich als Headhunterin in ihrer eigenen Firma und scheffelt Millionen. Aber wie es so ist im Leben: Erstens kommt es anders und zweitens als man denkt. Diese Erfahrung muss auch Lara machen, als Josh sie per E-Mail abserviert und zu allem Überfluss auch noch von ihrer Geschäftspartnerin Natalie sitzen gelassen wird. Diese vergnügt sich lieber in Indien mit einem smarten Surflehrer als sich um das mehr schlecht als recht gehende Tagesgeschäft zu kümmern. Da kommt es Lara verständlicherweise äußerst ungelegen, dass sie zur Bestattung ihrer 105-jährigen Großtante Sadie muss.

Kaum dort angekommen, wird Lara mit ihrer etwas skurrilen Familie konfrontiert: Die Mutter macht sich ständig um alles und jeden Sorgen, Laras Schwester Tonya sonnt sich für ihr Leben gern am Elend anderer, der millionenreiche Onkel Bill ist einzig auf Publicity aus, während dessen Frau und Tochter stets auf ihren eigenen Vorteil bedacht sind. Aber irgendwie wird die Zeit schon rumgehen, denkt sich Lara, bis sie dann urplötzlich, aus heiterem Himmel, eine fremde Stimme wahrnimmt. Besitzer dieser Stimme ist eine junge Frau, etwa in Laras Alter, die mit Klamotten aus den 20er Jahren und für niemanden außer Lara sichtbar durch die Kirche schwebt und verzweifelt versucht, Sadies Bestattung aufzuhalten. Anfangs glaubt Lara noch, dass sie eine Halluzination hätte, aber schon bald stellt sich heraus, dass der Geist durchaus real ist. Es ist Großtante Sadie, die als 23-jähriges "Charleston Girl" Laras Leben gründlich durcheinanderbringt.

Sadie ist auf der Suche nach ihrer heißgeliebten Perlenkette, die sie zu ihrem 21. Geburtstag von ihren Eltern geschenkt bekam. Mit ihr fühlte Sadie sich stets wie eine wunderschöne Frau, die von innen heraus leuchtet, und nur mit ihr kann sie ihre Ruhe finden. Weil einzig Lara Sadie sehen kann, muss die Londonerin ihrer Großtante wohl oder übel helfen. Nach anfänglichem Zögern muss Lara bald zugeben, dass es auch seine Vorteile hat, einen Geist an seiner Seite zu haben. So könnte Sadie beispielsweise Josh ausspionieren und Lara brühwarm berichten, was derzeit in seinem Leben passiert. Als Lara dann auch noch erkennt, dass Sadie ihre Mitmenschen manipulieren kann, setzt sie diese auf Josh an, damit er zu Lara zurückkehrt und sich der Traum von der großen Familie doch noch erfüllt. Einzig Sadies Engstirnigkeit steht Laras Glück im Wege, denn ihre Großtante möchte unbedingt noch einmal mit einem Mann ausgegangen und Charleston getanzt haben. Das Opfer ist Ed Harrison, den Sadie bei einem Ausflug zufällig entdeckte. Nun muss Lara nur noch in Sadies Namen mit ihm ausgehen und natürlich diese Kette finden, um den Geist endlich wieder loszuwerden. Aber will sie das auch wirklich?

Sophie Kinsella beweist mit ihrem nunmehr neunten Roman "Charleston Girl", dass ihr der Ruf als Romantik-Queen völlig zu recht vorauseilt. Kinsella gelingt es in diesem Roman hervorragend, die Moderne mit dem Glamour der 20er Jahre zu überziehen. Mal abgedreht, dann wieder romantisch-verträumt und im nächsten Moment chaotisch-liebenswürdig wird der Leser gleich zu Beginn in eine bezaubernde Handlung entführt, die ihn bis zum Schluss vollständig in den Bann zieht. Die Konterparts Lara und Sadie spielen miteinander solch ein herrliches Spiel, dass man immer weiter und weiter lesen möchte, um zu erfahren, wie es denn zwischen den beiden weitergeht. Sei es nun Sadies Drängen, dass Lara bei ihrem Date mit Ed Klamotten aus den 20ern tragen muss oder gemeinsame Gespräche, in denen Sadie beispielsweise erläutert, dass die Bezeichnung "... den Biber bürsten" eigentlich "Sex" bedeuten soll. Da weiß man als Leser nicht, ob man an Laras Stelle sein möchte oder lieber doch nicht. Denn schließlich kann so ein Geist einem das Leben auch manchmal ziemlich schwer machen, obwohl die Vorteile auch nicht von der Hand zu weisen sind.

Susann Fleischer
19.10.2009

 
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Das Buch:

Sophie Kinsella: Charleston Girl. Aus dem Englischen von Jörn Ingwersen

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München: Manhattan Verlag 2009
496 S., € 14,95
ISBN: 978-3-442-54647-3

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