Romane

Die Liebe als Klischee

Der Mittzwanziger Harry Driscoll könnte alles haben, was er will, wenn er doch nur auf seine Eltern gehört hätte. Er könnte ein reiches Leben in "Saus und Braus" führen, ein gern gesehener Gast auf Dinnerpartys sein und hätte womöglich bereits eine eigene Familie gegründet ..., wenn er doch nur Jura studiert hätte! Stattdessen entschied er sich für das Studium der Literatur, um später in einem renommierten New Yorker Verlag als Lektoratsassistent sein Leben zu fristen.

Harry geht in der Anfangszeit seiner Arbeit motiviert ins Büro und gibt den Autoren ungebeten eingesandter Manuskripte hilfreiche Tipps, aber im Laufe von sechs Jahren stumpft er immer mehr zu einem gefühlsarmen Menschen ab, der seine Zeit in seinem "Kabuff" absitzt und während (und auch außerhalb) der Arbeitszeit gerne zum Alkohol greift. Sein einziger Lichtblick sind Jordie Wesselesh, der der jüngste Lexikograph und Lektor in der Geschichte des Verlages ist und doch Mut für etwas Neues beweist, sowie die junge, engagierte Evie, die für Harry nicht nur eine liebgewonnene Arbeitskollegin ist, sie ist vielmehr seine Partnerin, die ihm sowohl in guten als auch schlechten Zeiten beisteht. Wäre da nicht ein großer Haken: Harry kann einfach nicht treu sein!

Und so kommt es eines Tages, wie es kommen muss: Evie erfährt, dass Harry sie erneut betrogen hat. Sie zieht einen endgültigen Schlussstrich und begräbt damit ihre Hoffnung, dass aus Harry irgendwann doch noch der ersehnte Märchenprinz werden könnte, der die drei magischen Worte ausspricht - nämlich: "Ich liebe dich". Sie erkennt vielmehr, dass Harry sich wohl niemals ändern wird und die Liebe als ein Klischee ansieht, das er nicht erfüllen möchte. Die zweite Katastrophe in seinem Leben vollzieht sich, als er tags darauf seinen gehassten Job verliert und aus seiner Wohnung ausziehen muss. Nach langer Zeit des Nachdenkens und In-sich-Gehens erkennt Harry schließlich, dass er sich und sein Leben grundlegend ändern muss. Er sucht sich eine neue Arbeit und eine neue Bleibe, möchte den neuen "Großen Amerikanischen Roman" schreiben und Evie zurückerobern. Ob ihm das wohl gelingen wird?

Adam Davies wählt mit Harry Driscoll in seinem (Liebes-)Roman "Froschkönig" einen Protagonisten aus, der nicht gerade durch seine Einfühlsamkeit und Gefühlszuneigung gegenüber seiner Freundin glänzt. Vielmehr ist er ein Mann, der sich scheinbar selbst aufgegeben hat und nach außen das Bild eines unzufriedenen Menschen abgibt, der aber doch noch Potential für einen Lebenswandel besitzt. Der Rezipient wechselt beim Lesen des Buches zwischen Mitleid für Harry, Unverständnis über seine Einstellung und schließlich Erleichterung über seinen inneren Wandel. Dem Autor gelingt es, dem Leser am Ende des Romans unwissend stehen zu lassen mit der brennenden Frage, welchen Weg Harry Driscoll einschlagen wird. Und so kann jeder für sich selbst diesen Roman zu einem glücklichen(?) Ende führen.

Susann Fleischer
08.06.2009

 
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Das Buch:

Adam Davies: Froschkönig. Aus dem Amerikanischen von Hans M. Herzog

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Zürich: Diogenes Verlag 2009
384 S., € 9,90
ISBN 978-3-257-23934-8

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