Romane

Hermaphroditen

Jean Colombera hat ein Sachbuch in Form eines Romans geschrieben. Er verknüpft beide Genres perfekt und lässt das Sachbuch durch präzises Wissen wachsen und flechtet es ein in lebendige Dialoge, die den Romanteil bilden. Beides verschmilzt zu einer Einheit. Der Leser wird nicht mit Sachwissen erschlagen und auch niemals hochtrabend belehrt, ganz im Gegenteil. Schwere Kost - leicht verdaulich!

Es beginnt alles mit Klemens Dual, dem 65-jährigen Arzt, der sein Leben Revue passieren lässt und erschüttert wird von der Tatsache, dass sein Sohn Benjamin homosexuell ist. Und das obwohl er, seine Großeltern, Eltern und seine Kinder streng katholisch sind. Stets lebten sie nach den Lehren der Bibel und dem Wort Gottes, achteten seine Gebote. Selbst die Namen seiner Kinder sind durchweg biblisch. Er ist sich keiner Schuld bewusst und fragt sich doch, wie es dazu kommen konnte.

Sein bester Freund Chi, seines Zeichens Chinese, weiht ihn ein in die fernöstliche Mentalität und Lebensweise. Sie kennen sich seit Jahren und vertrauen sich blind. Chi ist Klemens` Anker in der Not. Wann immer er Hilfe brauchte, war Chi da, so auch diesmal, in seiner höchsten seelischen Not. Chi spricht weise, ist fast ein Weiser und hat auf alles die einfachsten Antworten, die sich nach langem Abwägen von rechts nach links und dem Betrachten von oben und unten für Klemens als logisch und richtig erweisen. So kommt Klemens dazu umzudenken, zu hinterfragen. Gleichzeitig weiß er vieles von den rein biologischen Abläufen im menschlichen Körper selbst zu erklären, da er Arzt ist und sich spezialisiert hat auf Naturheilkunde und Gendermedizin. Den Rest besorgt Chi, der weniger von der Embriologie versteht, aber zwischenmenschlich ein Ass ist und die Bibel und ihre Lehre auf seine Weise auslegt, und das absolut verständlich und nachvollziehbar. Klemens und Chi ergänzen sich perfekt, doch während Klemens froh ist, dass er der Homosexualität gegenüber jetzt offener sein kann, ziehen neue düstere Wolken am Himmel auf.

Benjamin, Klemens` Sohn, möchte seinen deutlich älteren Liebhaber Innozenz Anders heiraten, beichtet dies Padre Guisto und sorgt so für eine Menge Wirbel in der katholischen Kirche, der bis in den Vatikan reicht. Padre Guisto aber, gestärkt durch seine rechte Hand, Angela Diener, stellt sich dieser Herausforderung und knüpft eine Bedingung an eine kirchliche Heirat der beiden Männer. Das wiederum wirft Vater und Sohn völlig aus dem Ruder. Die unheilvollen Dinge nehmen ihren Lauf ...

Man beachte nur die Namensgebung der Protagonisten. Der Autor hat ganze Arbeit geleistet und einen interessanten Roman geschrieben, ein weiterbildendes Sachbuch und gleichzeitig ein revolutionäres Buch, in jeder Hinsicht. Er appelliert an den menschlichen Verstand, egal welches Amt er bekleidet. Er weist darauf hin, dass die Kirche ihre starren Strukturen abstreifen, die neue Generation und ihre Lebensweise berücksichtigen und das Amt des Geistlichen freier gestalten sollte. So freizügig wie viele Menschen leben und denken, so ungläubig sind jedoch viele Menschen und beharren trotzdem auf kirchlichen Grundsätzen. Würden diese rundherum erneuert und angepasst, würde die Kirche mehr Toleranz und Akzeptanz säen, welche die Menschen ernten könnten.

Jean Colombera hat sich mit seinem Buch nicht nur der Homosexualität angenommen, sondern auch der Intersexualität, der weiblichen und männlichen Natur des Lebewesens, genetischen Aspekten, aber auch kirchlichen Themen und zwischenmenschlichen Problemen. All das eingepackt in Wissen und fiktive Geschichte. Hervorragend gemacht!

Tanja Küsters
06.04.2009

 
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Das Buch:

Jean Colombera: Hermes und Aphrodite

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Frankfurt am Main: August von Goethe Literaturverlag 2008
152 S., € 9,90
ISBN: 978-3-83720-327-1

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