Romane

Das geheimnisvolle Murmeln eines Gebirgsbaches

Paul, 46 Jahre alt und seit zwei Jahren alleinstehend, kehrt nach vielen Jahren in sein Heimatdorf in den Savoyer Alpen zurück, um den Hof seiner verstorbenen Eltern zu verkaufen. Dort angekommen überwältigen ihn die Erinnerungen und das Rauschen des Gebirgsbaches, der Duft der frischen Tannennadeln, die Ruhe der Berge und der ganz eigene Rhythmus dieses in der Zeit verloren gegangen zu sein scheinenden Dorfes. Er kann die Erinnerung an die unbeschwerten Sommer mit seiner Jugendliebe Claire, die vor fast 30 Jahren in der Nähe des Gebirgsbaches brutal ermordet wurde, nicht länger verdrängen und muss sich eingestehen, dass sein Leben viel mehr unter dem nicht aufgeklärten Mordfall gelitten hat, als er bisher glauben wollte.

Die Ermittlungen im Mordfall Claire Etcheverry wurden schon vor langer Zeit ergebnislos eingestellt, da jeder der zahlenmäßig sehr überschaubaren Dorfgemeinschaft ein Alibi hatte und nicht zu der Aufklärung des Mordes beitragen konnte oder wollte. Als Paul bei dem Besuch in seiner Heimat erfährt, dass das ehemalige Chalet der Etcheverrys zum Verkauf steht, entschließt er sich zum spontanen Kauf des Hauses, das für ihn so viele Erinnerungen birgt. Bei der Hausübergabe trifft er auf Claires jüngere Schwester, die Pianistin Béatrice, die erst nach dem Tod ihrer älteren Schwester geboren wurde. Béatrice versucht, seit sie auf der Welt ist, dem Schatten, den der Tod ihrer Schwester über ihre Familie gelegt hat, zu entkommen. Ihre einzige Zuflucht ist die Musik, in der sie sich bedingungslos verlieren kann.

Gantheret, selbst angesehener Psychoanalytiker, zeichnet in „Das Gedächtnis des Wassers“ komplexe Personen und ihre unterbewussten Verbindungen zueinander. Der ungeklärte Mord an Claire Etcheverry hat nicht nur bei den unmittelbar Betroffenen Leere und irreparable psychische Schäden zurückgelassen, sondern auch bei den Bewohnern des Dorfes und den Familienmitgliedern, die die Ermordete gar nicht kannten. Der Franzose Gantheret, der für seinen Debütroman „Verlorene Körper“ 2004 in seiner Heimat mit dem Prix Ulysse ausgezeichnet wurde, ergeht sich außerdem in derart lebendigen Naturbeschreibungen, dass man fast glaubt, die Musik des Gebirgsbaches zu hören, der so manch dunkles Geheimnis erzählen könnte. 

Sabine Mahnel
19.01.2009

 
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Das Buch:

François Gantheret: Das Gedächtnis des Wassers. Aus dem Französischen von Dirk Hemjeoltmanns

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München: dtv 2009
179 S., € 14,90
ISBN: 978-3-423-24690-3

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