Romane
Mysteriöse Todesfälle zu Zeiten der Pest
Die Pest war einst im Mittelalter eine der gefährlichsten und unberechenbarsten Krankheiten überhaupt. Sie verstand es, ganze Städte menschenleer zu fegen und Chaos zu verbreiten. Ein Mittel dagegen war nicht bekannt und auch die Übertragungswege unterlagen verschiedenen Theorien. So entstand als mögliches Hilfsmittel dagegen der sogenannte Totentanz, in dem Menschen jeden Alters und Standes einen Reigen mit dem Tod tanzen, von dem sie gepackt und weggerafft werden. Dieser spielt in Lena Falkenhagens Roman "Das Mädchen und der Schwarze Tod" eine bedeutende Rolle.
Die Heldin dieses Romans ist die Kaufmannstochter Marike Pertzeval, deren Mutter und Brüder bei einem Pestausbruch vor 14 Jahren verstorben sind. Im Jahre 1465 wartet die Pest auf neue Opfer. Zeitgleich aber ereignen sich in der Stadt seltsame Unglücksfälle, immer getarnt als Unfälle. Das einzig Auffällige ist, dass jedem Verstorbenen ein Stück Holzspan in der Stirn steckt. Hat vielleicht der Maler Bernt Notke etwas mit diesen mysteriösen Todesfällen zu tun? Schließlich malt er für die Lübecker Marienkirche einen Totentanz. Und jeder Tote erscheint auch in den Bildern als ein Vertreter des jeweiligen Standes.
Zeitgleich tritt aber auch die Pestbruderschaft St. Blasius auf. Ob diese etwas mit dem Sterben zu tun hat? Marike macht sich zuerst mit Pater Martin, später alleine auf, dieses Rätsel zu lösen. Dabei entkommt sie mehr als nur einmal der drohenden Gefahr, entweder von der Pest befallen zu werden oder von dem sich herumtreibenden Mörder entdeckt zu werden. Schließlich kommt sie ihm immer näher und näher. Zur Seite steht ihr auch der künstlerisch begabte Bernt Notke, der Marike nicht nur mag, sondern viel tiefergehende Gefühle für sie hegt.
Dieser Roman, der erste historische der Autorin Lena Falkenhagen, spielt sich in den damaligen Mauern der Hansestadt Lübeck ab. Es werden auf spannende Art und Weise tatsächlich stattgefundene Ereignisse mit fiktionalen vermischt. Dabei geht die Autorin nicht nur auf die Geschehnisse ein, sondern zugleich gewinnt man einen Einblick in die einstigen Sitten- und Moralvorstellungen. So schickte es sich für eine junge Dame nicht, sich mit einem Herrn alleine in der Öffentlichkeit zu zeigen. Als Kaufmannstochter, deren Vater zudem Mitglied im Rat der Stadt ist, muss sie diese Regel befolgen, sonst kann sie sich nicht mehr in der gehobenen Klasse zeigen lassen. Für unsere heutige Zeit ist dies schwer vorstellbar. So wünscht man sich eine Veränderung Marikes. Diesem Wunsch kommt Lena Falkenhagen nach, indem sie den Wandel des sittsamen, schüchternen Mädchens hin zur (wage-)mutigen und selbstbewussten jungen Frau glaubhaft und auch nachvollziehbar darstellt.
Um die Örtlichkeiten, die in diesem Roman häufiger vorkommen, besser rekonstruieren zu können, ist als nützliche Hilfe eine Karte von Lübeck anno 1465 auf den ersten Seiten abgebildet. Somit kann sich das im Buch beschriebene Geschehen besser vor den Augen des Lesers entfalten und die Geschichte wird auf diese Art und Weise noch spannender. Die größtenteils sehr plastischen Schilderungen der "Unglücke" erfolgt stehen auf den ersten Seiten des nächsten Kapitels. Auf diese Weise kommt der Leser dem Mörder Stück für Stück selber auf die Spur. Anfangs erscheint die Lösung sehr naheliegend, was sich aber am Schluss als Trug herausstellt. Man kann das Buch zwar nicht mit der Agatha-Christie-Reihe vergleichen, aber doch handelt es sich um einen reizvollen Roman, dessen Spannung bis zum Schluss erhalten bleibt.
Susann Fleischer
25.08.2008