Romane

Unterhaltung, von der einem ganz schwindelig wird

Adolf war ein friedliches, introvertiertes Kind. Im Alter von sechsundvierzig wohnt er noch bei seiner Mutter im Gemeindebau, verdient seinen Unterhalt als Busfahrer. Mit der Namenswahl hat ihm sein Vater einen Stempel fürs Leben aufgedrückt und Adolf zum Einzelgänger gemacht. Nur eine war damals immer an seiner Seite: Hanni. Bis sie aus seinem Leben verschwand und er sich schließlich damit abfand, dass er ein "Müsser" ist. Hanni kommt aus gutbürgerlichem Haus, ist wild und burschikos, und hat Adolf früher gegen die anderen Kinder verteidigt. Er wiederum stand für ihre Missetaten gerade. Mit Hanni lernte Adolf zu "wollen" und begann, von einer Zukunft zu träumen. Doch dann heiratete sie einen Alphamann. Seither lebt jeder der beiden in seiner Welt. Bis Hanni eines Morgens bei Adolf in den Bus einsteigt.

Endlich kommt Bewegung in Adolfs festgefahrenes, langweiliges Leben. Sein bisheriges Dasein ohne große Erwartungen und Hoffnungen gerät ins Wanken. Dabei müsste Adolf doch eigentlich wissen: "Das tägliche Unglück ist berechenbar. Vor dem Glück musst du dich hüten!" Adolf hat zu kämpfen. Hat er nicht eine Lebensphilosophie (unter tatkräftiger Hilfe seiner Mutter) entfaltet, in der es nichts zu erwarten gibt? Ein Leben, in dem er mit seinem Kollegen und Freund, vor allem aber am Steuer seines Busses, sich einen Teil an Zufriedenheit und Existenzsicherung geschaffen hat? Und doch ist es so, wie es schon immer und zu allen Zeiten war: Der Mensch sucht mehr, bedarf mehr, sehnt sich nach Nähe und Liebe bestimmter Personen. Die, fast ein Wunder, nach 30 Jahren Kontaktlosigkeit, plötzlich eine Fahrkarte kauft.

Da gesteht Hanni ein dunkles Geheimnis und bittet ausgerechnet Adolf um Hilfe; natürlich erst nachdem sie ihn gekonnt um den kleinen Finger gewickelt hat. Nur so viel: Es hat etwas damit zu tun, warum ihr Mann schon einige Zeit "auf Reisen" ist. Adolfs Naivität macht ihn zum perfekten Opfer. Ist Hanni etwa nicht mit ihm zusammen, weil sie ihn liebt? Gibt es einen anderen Grund, weshalb sie sich ihm wieder genähert hat? Egal, während seine Mutter tobt, steht Adolf Hanni zur Seite. Nichts ahnend, worauf er sich da einlässt. Und dass er schon bald in Untersuchungshaft landen wird ...

Literatur, die gleich ab dem ersten Satz ganz schwindelig macht - was Veronika Bauer schreibt, bringt den Leser zum Lächeln, so breit wie ein Honigkuchenpferd, außerdem zum Seufzen. Während der Lektüre von "Der Busführer" hat man Tränen in den Augen und ein Lächeln auf den Lippen, fühlt sich geradezu berauscht wie von Drogen. Aber nicht nur deshalb, ist dieses Vergnügen so besonders, fast schon einzigartig im Bücherregal. Dieser Roman zeugt von Lebensweisheit, von großen Emotionen und von Wortwitz, der immer wieder durchblitzt. Das Buch leuchtet von innen heraus, ist ein Geschenk, das man hüten sollte wie einen wertvollen Schatz, indem man es immer wieder liest und liest und liest. Österreich hat seine neue Bestsellerautorin gefunden! Bauers Geschichten machen glücklich, noch Wochen nach deren Weglegen.

Mit "Der Busführer" bereitet Veronika Bauer dem Rezipienten eine Lektüre voller Gegensätze: tragisch-komisch, bitter-süß, traurig-heiter. Und gerade deshalb genießt man diese mit jedem einzelnen Satz, bis zum überraschenden Ende. Die Handlung entwickelt sich oftmals anders als gedacht, sodass man mit dem Lesen wieder von vorne beginnt, kaum bei der letzten Seite angekommen. Kurzum: Genuss pur!

Susann Fleischer 
08.08.2022

 
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Das Buch:

Veronika Bauer: Der Busführer

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München: dtv 2022 352 S., € 18,99 ISBN: 978-3-423-26322-1

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