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Ein Debüt, das von sich reden machen wird

Im Norden der Stadt hängen die Hoffnungen so tief wie der Novemberhimmel. Wer hier liebt, rechnet nicht mit einem Happy End. Schon gar nicht Nene, Anfang Zwanzig. noch voller Träume und Bademeisterin. Ihre Überlebensstrategie: Bahnen ziehen, versuchen zu vergessen, pragmatisch sein. Dann lernt sie im Schwimmbad Boris kennen, der Puma-Augen hat und ihr nicht sofort an die Wäsche will. Boris, der an Kinderlähmung erkrankt war, für den es keine Jobs gibt, nur Schimpfwörter oder Mitleid. Der Schmerzen hat und die Welt mit Verachtung behandelt. Obwohl Nene und Boris grundverschieden sind, haben sie auf dem zweiten Blick doch mehr gemeinsam als andere Paare: Die beiden haben jeder einen schweren Rucksack zu tragen und es gehört Mut dazu, diesen vor jemanden zu öffnen.

Nene ist die Direkte und damit muss Boris erst einmal klarkommen. Alles nicht einfach, für beide nicht. Ihr erstes Date wird prompt zum Debakel, aber Nene zeckt sich in Boris' Herz, und er sich in ihres. Vielleicht ist Boris endlich Nenes Chance auf einen Neuanfang. Hat sie doch schwer zu kämpfen: wegen eines trinkenden und prügelnden Vaters, von dem sie sich in ihren Teenagerjahren aus eigener Anstrengung heraus zumindest physisch distanzieren kann, wegen einer Vergewaltigung auf einem Spielplatz, wegen eines Lebens in Armut. Leicht hat Boris es aber auch nicht. Fühlt er sich als Krüppel zu nichts nütze und von allen schief angesehen. Dass eine Frau wie Nene sich für ihn interessiert? Das grenzt schon an ein Wunder. Und trotz allem werden sie ein Paar.

Eines Tages ist es soweit und Boris kapituliert vor Nenes Direktheit und ihrem Lebenswillen, sie vor seinem Entschluss, sein Mädchen glücklich zu machen. Das große Glück scheint für beide plötzlich greifbar, oder?! Boris wird für Nene die Geschichtsschreibung ändern, er wird sie anlügen, er wird sie hängenlassen. Ihre Liebe ist wie jede Liebe: nicht perfekt. Aber sie berührt beide auf eine Weise, die sie vergessen oder nie gekannt haben ...

Literatur, die einen ganz überwältigt - was Annika Büsing schreibt, ist Unterhaltung in ihrer betörend-schönsten, poetischsten und berührendsten Form. Dieser kann man partout nicht widerstehen. Kaum "Nordstadt" aufgeschlagen, erliegt man der Story ab dem ersten Satz. Man wird von dieser vollkommen in den Bann gezogen. Büsings Erzählstil fesselt die Sinne, macht gleichermaßen schwer und leicht ums Herz und lässt einen nachdenklich zurück. Man überdenkt nach der Lektüre ihrer Romane das eigene Leben und so mancher findet endlich die Kraft, etwas zu ändern an seinem Dasein. Das vorliegende Buch zeigt die Liebe mit all ihren Höhen und Tiefen, in ungewöhnlicheren Facetten und trotzdem so, wie sie ist: nämlich ganz und gar wunderbar. Einfach nur zum Niederknien!

Zu schreiben wie Annika Büsing ist eine Kunst, die nur die wenigsten Autoren und Autorinnen ähnlich grandios, fast schon sensationell beherrschen. Man erliegt den Worten der deutschen Ausnahmeschriftstellerin ab dem ersten Satz. Diese haben eine süchtig machende Wirkung auf den Leser. Von der Lektüre von "Nordstadt" fühlt man sich ganz high, fast schon wie auf Drogen. Dieses Debüt gehört mit zum Brillantesten, was man derzeit in einer Buchhandlung zu finden vermag. Absolut grandios und einzigartig!

Susann Fleischer
28.02.2022

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