Romane

Eine große Liebe auf den Trümmern des Zweiten Weltkrieges

Um etwas zu bewirken auf der Welt, widersetzt sich die junge Schweizerin Eli Wipf (Mitte zwanzig) im Frühling 1946 ihrem Vater und ihrem Verlobten und schließt sich einer Hilfsorganisation an. Eli wird nach Köln geschickt. In der zerbombten Stadt fehlt es an allem, und die junge Frau arbeitet Tag und Nacht im "Schweizer Dorf", um die wachsende Zahl von Notleidenden und Flüchtlingen zu versorgen. Dort lernt sie den vierzehnjährigen Mattes kennen, der im Krieg alles verloren hat. Sein Bruder gilt als vermisst, seine Mutter und ältere Schwester sind bei einem Bombenangriff der Alliierten ums Leben gekommen. Verzweifelt klammert sich der Junge an die Hoffnung, dass wenigstens sein Bruder Helmut noch lebt. Was Mattes nicht ahnt: Der befindet sich in russischer Kriegsgefangenschaft; plant seit Monaten seine Flucht.

Helmut riskiert alles, nicht zuletzt sein Leben, um seine geliebte Familie endlich wiederzusehen. Tatsächlich gelingt es ihm, aus dem Straflager zu fliehen. Er schlägt sich bis nach Köln durch und findet auf Umwegen auch Mattes. Nun heißt es für Helmut und Mattes: sie beide gemeinsam gegen den Rest der Welt. Doch dann ist da noch Eli. Eli und Helmut sind grundverschieden. Eli ist sehr mutig und geht ihren eigenen Weg. Am Anfang noch etwas naiv, hinterfragt sie immer mehr die Rolle ihres Heimatlandes und zum Schluss sogar ihrer eigenen Familie. Helmut ist ein eher stiller Zeitgenosse, hat noch einen Rest Stolz, muss aber einsehen, dass man Hilfe auch annehmen kann. Als Wehrmachtsoffizier muss er seine Rolle in der Gesellschaft erst wieder finden, er hinterfragt sein Tun und stellt die entscheidenden Fragen.

Kriegsheimkehrer Helmut hat es erst noch schwer, sich an die neue Freiheit zu gewöhnen, aber auch er geht seinen Weg, kümmert ich liebevoll um seinen kleinen Bruder Mattes und kann so nach und nach die schmerzhaften Erinnerungen verarbeiten. Er gesteht sich sogar wieder ein, Träume haben zu dürfen; zum Beispiel den von einer Zukunft mit Eli. Anfangs ist Eli Helmuts düstere, wortkarge Art unheimlich. Doch seine Fürsorge um Mattes öffnet Elis Herz für den Soldaten. Ein glückliches Ende scheint möglich, rückt allerdings in weite Ferne, als der Winter kommt, in Köln die Tuberkulose um sich greift, und plötzlich Mattes' Leben auf Messers Schneide steht ...

Ein Juwel im Bücherregal - will man etwas ganz Besonderes lesen, sollte man definitiv zu "Die Stunde zwischen Nacht und Morgen" von Priska Lo Cascio greifen. Man verliert sich mit allen Sinnen in der Story, vergisst über diesen Genuss die Welt vollkommen um sich herum. Priska Lo Cascios Schreibstil ist lebendig, locker und sehr bildhaft, sodass man nach wenigen Sätzen glaubt, tatsächlich mitten im Geschehen zu sein. Die Seiten fliegen nur so dahin. Die deutsche Autorin versteht es geradezu meisterlich, die Emotionen ihrer Protagonisten dem Leser näher zu bringen. Man fühlt mit ihnen unmittelbar mit. Lo Cascios Geschichten stechen aus der Masse der Neuerscheinungen auf dem Literaturmarkt wohltuend heraus, weil detailreich, herausragend recherchiert und berührend. Das zu toppen, ist nur äußerst schwer möglich!

Die Romane aus Priska Lo Cascios Feder bedeuten historische Unterhaltung vom Feinsten. Diese fesseln den Leser vom ersten bis zum letzten Satz, außerdem über viele, viele Stunden lang. "Die Stunde zwischen Nacht und Morgen" gehört zu den absoluten Lektürehighlights im Bücherwinter 2021/22. Was man hier erfährt, ist Literatur, die einen ganz überwältigt. Einfach nur grandios!

Susann Fleischer 
07.02.2022

 
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Das Buch:

Priska Lo Cascio: Die Stunde zwischen Nacht und Morgen

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München: Droemer Verlag 2021 432 S., € 12,99 ISBN: 978-3-426-30787-8

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