Romane

Von einem Beduinen, der auszog, die Welt zu lernen

In der syrischen Wüste sieht ein Junge zu, wie seine Mutter stirbt. Sie wurde von ihrer Familie verstoßen. Nach ihrem Tod findet Majuf (der "Verlassene") bei seiner Großmutter ein Zuhause, wenn auch kein liebesvolles. Nicht selten muss der Junge Hunger leiden, wird von seinen Verwandten als Eindringling gesehen. Es ist eine schwere Zeit für Majuf, die Hoffnung auf ein besseres Leben aber bleibt. Da bietet sich ihm die Gelegenheit, zur Schule zu gehen. Majuf, von den Mitschülern als "Badawi", als Beduine, als Wüstensohn beschimpft, weiß, dass er nur mit Bildung aus seinem jetzigen Dasein fliehen kann. Er lernt fleißig und schreibt die besten Noten. Die anderen Klassenkameraden lassen ihn für seine "Steberhaftigkeit" leiden. Er wird in der Schule drangsaliert, und später von seine Großmutter daheim. Aber er gibt nicht auf.

Verwundet von seiner Familie, müde von einem Leben voller Elend und Demütigung, zerrissen zwischen der Existenz, die ihm auferlegt wurde, und der Existenz, die er gerne leben würde, absolviert er als Klassenbester die Schule. Das Ministerium für Bildung eröffnet ihm eine neue Chance: Man bietet ihm ein Stipendium für ein Petrochemie-Studium in Frankreich an. Er geht nach Montpellier, um alles über die Herstellung von chemischen Produkten aus Erdgas und geeigneten Fraktionen des Erdöls zu erfahren. Später dann bereist er als Ingenieur die Länder dieser Welt und verdient viel Geld. Endlich scheint sein Traum sich zu erfüllen: jemand zu werden. Aus Majuf, "der Verlassene" wird Qaher, "der Sieger". Wenn auch um den Preis, seine Vergangenheit zu vergessen ...

Es gibt nur wenige Bücher, die regelrecht von innen heraus leuchten, und noch weniger, die Leben für immer verändern - "Badawi - Ich zeig Dir mein Zelt, zeige Du mir die Welt!" ist beides, aber auch noch so viel mehr; nämlich eine Mutmachlektüre, für seine Träume zu kämpfen, ein Plädoyer für mehr Menschlichkeit in unserer Welt und nicht zuletzt auch eine beinahe schon zärtliche Liebeserklärung an Syrien. Mit seinem Debüt gelingt Mohed Altrad etwas ganz Besonderes. Solch ein Genuss hat echt Seltenheit im Bücherregal. Man liest die Seiten, hat ganz feuchte Auge und trotzdem ein glückliches Lächeln auf den Lippen. Denn was man hier in die Hände kriegt, ist Literatur, die das Herz erwärmt, zugleich bestens unterhält. Diese bleibt einem über lange Zeit noch im Gedächtnis, außerdem im Herzen. Danke für dieses Geschenk!

Will man dieser Tage einen Roman lesen, dann bitte unbedingt "Badawi - Ich zeig Dir mein Zelt, zeige Du mir die Welt!". Hier beweist sich Mohed Altrad als Autor in der Erzähltradition von "1001 Nacht", verbunden mit der Moderne. Es ist beinahe, als träfen zwischen zwei Buchdeckeln Orient auf Okzident. Das macht die Lektüre so einzigartig und einfach nur wundervoll. Und auch, dass der Schriftsteller mit leisen Worten laut schreien kann. Alles ist möglich, wenn man nur daran glaubt und kämpft.

Noch ein letzter Grund zum Kauf von Mohed Altrads "Badawi - Ich zeig Dir mein Zelt, zeige Du mir die Welt!": Der Text wird begleitet von Bildern, die den Betrachter tief in das Herz und in die Seele Syriens blicken lassen, ihm mehr über die dortigen Traditionen "erzählen" und so einen glauben lässt, Teil der Erlebnisse des Protagonisten zu sein. Eine Seltenheit, die den Buchpreis von 24,95 absolut rechtfertigt.

Anja Rosenthal 
12.10.2020

 
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Das Buch:

Mohed Altrad: Badawi - Ich zeig Dir mein Zelt, zeige Du mir die Welt! Aus dem Französischen übersetzt von Roswitha R. Kortheuer (in Zusammenarbeit mit Christel Schirmer)

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Langenfeld (Rheinland): Hellwach-Verlag 2020 291 S., € 24,95 ISBN: 978-3-943965-28-5

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