Romane

"Lieb ist Laydes Anfangkh über kurz oder lankh"

Düster und trostlos diese Worte, die Fürsterzbischof Wolf Dietrich von Raitenau kurz vor seinem Tod 1617 in die Wände seines Kerkers der Festung Hohenwerfen ritzte - und gleichzeitig Zeugnis einer abenteuerlichen Geschichte: Mit harter aber gleichzeitig gütiger Hand hatte er das Fürsterzbistum Salzburg regiert, einerseits konservativer Kleriker, der zeitlebens für die Gegenreformation einstand, andererseits moderner, toleranter Renaissancemensch, der das Zölibat für überholt hielt, und Reformen in weiten Teilen des Klerus und der Gesellschaft in Gang brachte.

Sein Schicksal, dem eine lange Geschichte von Liebe und Neid, Intrigen und Ränkespielen vorausgeht, hat Ernest Simharl jetzt in einen packenden historischen Roman gepackt. Emotional und intensiv, dabei aber immer historisch akkurat, hat der gebürtige Rieder kurz vor seinem Tod seinen letzten Roman gerade noch fertigstellen können. Neben Raitenaus Bedeutung für die Entwicklung der Stadt Salzburg, ist es vor allem die zu Herzen gehende Geschichte dessen Liebe zur Kaufmannstochter Salome Alt, die einen wichtigen Platz in dem Roman einnimmt. Weit mehr als eine Mätresse, war sie Wolf Dietrich über 22 Jahre lang eine liebende Ehefrau, die auf dem Papier keine sein durfte, und gebar ihm 16 Kinder.

Der Titel des Buchs spielt geschickt mit Macchiavelli, der unter demselben Titel (ital. "Il Principe") 1513 das erste Werk der modernen politischen Philosophie veröffentlichte. Bis in die heutige Zeit von hoher Bedeutung, spielte es auch im Wirken von Raitenau, wenige Jahrzehnte später, eine große Rolle und diente ihm als Inspiration und Wegweiser.

Von Raitenau wollte seine Stadt zum "Rom des Nordens" machen: Die Salzburger Wahrzeichen Dom und Residenz, der Mozartplatz sowie Schloss Mirabell gehen auf ihn zurück, womit er heute als "Begründer der barocken Stadt Salzburg" gilt. Doch seine politischen und wirtschaftlichen Umtriebe verärgerten einen mächtigen Gegner im Norden der Alpen: Dem Zorn des bayerischen Herzogtums auf sich ziehend, mündete der Konflikt in der Gefangennahme Wolf Dietrichs, der den Rest seines Lebens in der Festung Hohenwerfen verbringen sollte - ohne seine geliebte Frau und Kinder jemals wiederzusehen. Die Inschrift, die er in die Mauern ritzte, sollte noch Jahrhunderte später von seinem Schicksal zeugen.

Ernest Simharl, der sich schon in jungen Jahren bei der Firma Ski-Fischer (damals größte Skifabrik der Welt, heute Fischer Sports) als "Schneephilosoph" einen Namen gemacht hatte, verstarb noch vor Veröffentlichung des Romans, der sein letzter sein sollte, 93-jährig nach einem bewegten Leben. Nicht nur als langjähriger Autor hatte er seine Spuren hinterlassen, sondern auch als erfolgreicher Unternehmer und Journalist. Sein Vermächtnis umfasst diverse Bücher, und noch viel wichtiger, eine große Familie, die ihn immer in liebender Erinnerung behalten wird.

So ist "Der Fürst von Raitenau" das letzte Zeugnis seiner lebenslangen Leidenschaft für die Geschichte Österreichs und eine liebevolle und kraftvolle Hommage an seine Heimat.

Gerrit Koehler 
11.05.2020

 
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Das Buch:

Ernest Simharl: Der Fürst von Raitenau

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Offenbach am Main: August von Goethe Literaturverlag 2018 200 S., € 19,80 ISBN: 978-3-8372-2185-5

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