Romane

Ein Meisterwerk der Erzählkunst, definitiv Literatur zum Niederknien

Istanbul, 1921: Die einst schillernde Metropole des Osmanischen Reiches ist durch Krieg und Besatzung durch die Alliierten nur noch ein Schatten ihrer selbst. Viele der Bewohner haben ihr Zuhause verloren, unter ihnen eine junge Frau namens Nur, die einst wohlbehütet in einer intellektuellen Familie aufgewachsen ist, fließend Englisch spricht und sich am liebsten an die herrlich trägen Sommer in ihrem Haus am Bosporus erinnert. Inzwischen lebt sie mit ihrer Mutter und Großmutter in einer kleinen Wohnung und schlägt sich mit Näharbeiten durch. Nur hat in den vergangenen Jahren viel durchlitten. Geliebte Menschen sind an der Front gefallen, sie hat Hunger erfahren, finanzielle Not und großes Elend. Aber aufgegeben hat sie nie, trotz aller Widerstände und schwieriger Zeiten.

Als Nur eines Tages einen verwaisten Jungen in einem ausgebrannten Haus findet, nimmt sie ihn zu sich. Sie bringt ihm Lesen und Schreiben bei, kümmert sich aufopferungsvoll um ihn, obwohl sie selbst schwer zu kämpfen hat. Da wird der Junge krank. In ihrer Verzweiflung bringt Nur ihn in ein Militärkrankenhaus, geleitet von den Briten. Dort nimmt sich einer der Ärzte, George, des Kindes an. Zwischen ihm und den Jungen entsteht das zärtliche Band der Freundschaft. Und auch Nur beginnt plötzlich Gefühle für George zu entwickeln. So sehr sie ihn, den Engländer, und damit einer der feindlichen Besatzer, auch verachtet. Dann kehrt Nurs Bruder aus der Kriegsgefangenschaft zurück und verändert plötzlich alles. Nurs Glück droht zerstört zu werden, noch ehe es richtig begonnen hat ...

Unterhaltung, die so glücklich, aber auch traurig macht wie kaum etwas anderes - schönere Emotionen als bei Lucy Foley findet man nur seltenst zwischen zwei Buchdeckeln. Mit ihren Romanen erfährt man Poesie, die mitten ins Herz trifft und es bricht. Die englische Autorin schreibt Gefühlskino der besonders fesselnden Sorte. "Die leuchtenden Tage am Bosporus" ist ein Juwel in jedem Bücherregal, noch dazu ein äußerst kostbares und sehr hellfunkelndes. Die Geschichte rührt zu Tränen. Sie entführt in ein Istanbul, das uns fremd erscheint und doch seltsam vertraut. Was für ein Lesegenuss, beinahe wie ein Traum aus "1001 Nacht", verknüpft mit einer Liebe über alle Grenzen hinweg. Foley beweist einmal mehr: Sie ist definitiv ein Ausnahmetalent unter Großbritanniens Erzählerinnen.

Von Lucy Foleys Schreibkunst geht eine immens große Sogkraft aus. Nach nur wenigen Sätzen erliegt man dieser mit allen Sinnen. Absolut berauschend, außerdem überwältigend, was man mit "Die leuchtenden Tage am Bosporus" in die Hände kriegt: nämlich Literatur auf höchstem Niveau, aus der Feder einer Schriftstellerin von der Weltklasse einer Kristin Hannah. Ob solch einer betörenden, geradezu verführerischen Lektüre verschlägt es einem ab der ersten Seite sogar den Atem. Also lesen, unbedingt!

Susann Fleischer 
17.06.2019

 
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Das Buch:

Lucy Foley: Die leuchtenden Tage am Bosporus. Aus dem Englischen von Katja Bendels

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Berlin: Insel Verlag 2019 437 S., € 15,95 ISBN: 978-3-458-36397-2

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