Romane

Leseglück in seiner schönsten Form

Westberlin, Sommer 1949: Vera Lessing arbeitet als Journalistin für die Wochenzeitschrift "Echo". Während des Zweiten Weltkriegs hat die junge Frau bei einem Bombenangriff auf die Hauptstadt ihre Eltern verloren. Wenige Tage nach diesem Unglück erhielt sie die Nachricht, dass ihr Ehemann an der Front gefallen war. Seit diesem schmerzlichen Verlust sind fünf Jahre vergangen, aber die Trauer hat Vera noch immer fest im Griff. Dabei will Vera nur eins: Die traumatischen Geschehnisse während der Nazi-Zeit und der Nachkriegsmonate endlich vergessen. Sie wünscht sich nichts sehnlicher als einen Neuanfang. Doch stattdessen wartet auf die Kulturredakteurin schon bald ein weiterer schwerer Schicksalsschlag: Ihr Jugendfreund und Kollege Jonathan kommt bei einem "Unfall" ums Leben.

Jonathan hat Recherchen über ehemalige Kriegsverbrecher betrieben. Gleichzeitig stand er im persönlichen Kontakt mit einer jungen Frau namens Marie Weißenburg, eine Sekretärin im Stab Konrad Adenauers. Vera geht den Spuren nach, die sie unter anderem nach Südtirol und Italien, bis schließlich in die mächtigen Kreise der Geheimdienste führen. Bei ihren Nachforschungen wird Vera von mehr als einer finsteren Gestalt verfolgt. Sie legt sich mit Männern an, die keinerlei Skrupel kennen. Die Suche nach der Wahrheit beginnt neun Monate zuvor, als die 21-jährige Marie einem Geheimnis zu nahe kommt. Ihr Vater, von der Familie als gefallener Kriegsheld verehrt, hatte zwei Gesichter. Als hochrangiger Beamter im Reichssicherheitshauptamt hat er den Tod zahlreicher Unschuldiger zu verantworten.

Marie ist schockiert. Ihr geliebter Vater soll ein Kriegsverbrecher gewesen sein? Was Jonathans "Ermittlungen" ihr offenbaren, verändert alles. Und diese bringen sie und später auch Vera in tödliche Gefahr. Denn nichts ist, wie Marie die letzten Jahre geglaubt hat. Die dunkle Vergangenheit ihres Vaters droht sie einzuholen und alles zu zerstören, wofür Marie so lange Zeit gekämpft hat. Vera bringt nach und nach Dinge ans Licht, die besser für ewig verborgen geblieben wären. Doch um Jonathans willen und ihm zu Gedenken will sie nicht aufgeben, bevor die ganze Welt alles über die Machenschaften von Hermann Weißenburg erfährt, und über die Tausenden flüchtigen Mörder auf ihrem Weg über die Alpen. Egal, zu welchem Preis ...

So fesselnd wie Jeffrey Archer, so genial wie Kate Morton - Claire Winter schreibt Romane von überwältigender Schönheit. "Die geliehene Schuld" bedeutet Literatur zum Niederknien. Die Story ist eine Verführung für alle Sinne. Stunden-, sogar tagelang vergisst man über diese die Welt vollkommen um sich herum. Die Autorin beweist einmal mehr: Sie gehört zu den ganz Großen unter Deutschlands Historienladys. Ihre Werke machen ganz schwindelig und so glücklich wie kaum etwas anderes. Zwischen zwei Buchdeckeln findet man ganz großes Gefühlskino. Ab der ersten Seite kämpft man hier mit den Tränen. Für die Lektüre braucht man mehr als eine Packung Taschentücher. Nur wenigen Schriftstellerinnen gelänge ein ähnlich schöner Lesegenuss, voller Nervenkitzel, Poesie und mitreißender Leidenschaft.

Die Geschichten aus Claire Winters Feder treffen mitten ins Herz. In diesen stecken Emotionen pur und außerdem Spannung bis zum letzten Satz. Mit "Die geliehene Schuld" liest man sich in einen Rausch ohnegleichen. Das vorliegende Buch fesselt so sehr, dass man es partout nicht weglegen kann, nicht einmal für einen kurzen Augenblick. Winter gelingt es, ein Stück deutscher dunkelster Zeitgeschichte in einen Roman zu verpacken, der unter die Haut geht. Was man hier in die Hände kriegt, ist Erzählkunst auf höchstem Niveau. Absolut grandios!

Susann Fleischer
03.04.2018

 
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Das Buch:

Claire Winter: Die geliehene Schuld

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München: Diana Verlag 2018
576 S., € 22,00
ISBN: 978-3-453-29194-2

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