Krimis & Thriller

Kinder des Krieges

Im malerischen Saint-Denis brechen für den lokalen Sherriff Benoît Courrèges, von allen nur Bruno genannt,  wieder einmal turbulente Zeiten an. Gleich auf der ersten Seite wird ihm ein toter Mann präsentiert, der Mitglied einer Eliteeinheit war und vor seiner Hinrichtung scheinbar brutal gefoltert wurde. Kurze Zeit später bekommt Bruno von einem ehemaligen Kameraden aus der gemeinsamen Militärzeit eine Nachricht zugespielt, dass ein muslimischer Junge aus Saint-Denis auf einer französischen Armeebasis in Afghanistan Zuflucht gesucht habe. Doch damit nicht genug, der Bürgermeister von Saint-Denis wird von einem Pariser Anwalt mit der frohen Kunde überrascht, dass Saint-Denis eine großzügige Schenkung bevorstehe. Ein jüdisches Geschwisterpaar habe einst die Verfolgung durch die Deutschen und das Vichy-Regime dank der Einwohner von Saint-Denis mit heiler Haut überstanden und möchte sich nun erkenntlich zeigen.

Ganz abgesehen davon hat Bruno natürlich mit einigen privaten Herausforderungen zu kämpfen, da er immer noch nicht darüber hinweg gekommen ist, dass seine Pariser Geliebte Isabelle ihr gemeinsames Kind abgetrieben hat. Brunos lokale Dauerfreundin Pamela, die verrückte Schottin, findet momentan auch keine emotionale Ausgeglichenheit bezüglich ihrer selbst und gegenüber Bruno. Die Ärztin Fabiola aus dem örtlichen Krankenhaus dagegen hatte Bruno scheinbar erfolgreich mit einem alten Bekannten verkuppelt, doch auch hier wollen Amors Pfeile nicht so recht stecken bleiben. Überhaupt sind die Frauen Brunos ewiges Thema, sieht es doch so aus, als ob sich sein Wunsch nach einer eigenen Familie nie erfüllen würde, da er sich stets in die Frauen verliebt, die eine Abneigung gegen das Kinderkriegen und enge Bindungen haben. Mit der amerikanischen Geheimdienstlerin Nancy, einer Bekannten Isabelles, betritt sogleich die nächste Kandidatin mit dem altbekannten Profil die Bühne.

"Provokateure" ist der neueste Roman aus der Feder Martin Walkers, dem schottischen Schriftsteller und Ex-Journalisten, der seinen Übergang in den Ruhestand im Périgord genießt, wo auch die fiktive Kleinstadt Saint-Denis angesiedelt ist. Mit "Bruno, Chef de police" begann die "Success Story" vor mittlerweile sechs Jahren. Das vorliegende Buch bildet den siebten Band dieser Reihe, so dass der Leser sich mittlerweile in Saint-Denis richtig gut auskennt und mit den höchst speziellen Charakteren rund um den zentralen Tausendsassa sehr vertraut ist. Jedes Jahr im Frühling erscheint im Zürcher Diogenes Verlag das neueste Abenteuer Brunos in der deutschen Übersetzung. Für zukünftige Kontinuität ist bereits gesorgt, denn im kommenden August erscheint mit "The Patriarch" bereits das achte Buch aus der Reihe im englischen Original.

Für "Provokateure" hat Martin Walker sein bisheriges Rezept, alte historische Begebenheit zu thematisieren, dabei mehrere scheinbar voneinander unabhängige Handlungsstränge aufzubauen und das "savoir vivre" mit romantischen Liebeleien, gutem Essen und Trinken zu garnieren, ad extremum getrieben. Bei der stark überfrachteten Handlungsfülle im vorliegenden Buch kann es einem leicht passieren, den Überblick zu verlieren. Dementsprechend dominiert dieses Mal auch keiner der Handlungsstränge, und so ist "Provokateure" ein Buch mit vier bis fünf Geschichten, von denen jedoch keine vor überraschenden Wendungen strotzt. Damit bestätigt Walker den Trend, der sich in den vergangenen Büchern bereits angedeutet hatte.

Die Bruno-Romane sind nämlich primär beileibe keine Kriminalromane, sondern eine wunderbare Zustandsbeschreibung eines bisweilen idealtypischen Lebens, wenn man als Deutscher den Blick gen Südwesten richtet und davon träumt, wie Gott in Frankreich zu leben. Dass dabei einigen Schurken das Handwerk gelegt werden muss, kein Problem, denn dafür hat man ja Männer wie Monsieur Courrèges. Demnach steht und fällt die Bewertung dieses neuesten Werks von Martin Walker mit der eigenen Einstellung bzw. dem Umfeld, in dem man das Buch konsumiert. Wer plant, das Buch für die anstehende Urlaubszeit in die Reisetasche zu packen, der liegt genau richtig. Mit einer entspannten Gemütshaltung wird man die Wohlfühlatmosphäre in Saint-Denis garantiert inhalieren und sich schon auf den nächsten Roman aus dem Périgord und vielleicht auch bereits auf den nächsten Sommerurlaub freuen. Dann wird man sich sicherlich auch keinen Kopf machen, warum "Children of War", so der englische Originaltitel, völlig an den Haaren herbeigezogen mit "Provokateure" übersetzt worden ist.

Christoph Mahnel
01.06.2015

 
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Das Buch:

Martin Walker: Provokateure

Zürich: Diogenes Verlag April 2015
288 Seiten, 23,90 Euro
ISBN 978-3-257-06928-0

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