Krimis & Thriller

Der tote Richter mit dem Dreizack

Wenn fiktive Kommissare schon mehrere Fälle bravourös gelöst haben, ist es oft so, dass ihnen früher oder später ein Übel wiederfährt, welches sie selbst vom Jäger zum Gejagten macht. So ist es auch in Fred Vargas´ neuem Krimi Der vierzehnte Stein. Die hier präsentierten Morde werden nicht so sehr zum Fall als vielmehr zum Fallstrick für Kommissar Adamsberg.

Die Wurzel allen Übels, die Reinkarnation des Bösen ist ein Richter, der über Jahrzehnte seine Opfer mit dem Dreizack aufspießt. Die ganz persönliche Beziehung von Kommissar Adamsberg zu diesem Teufel reicht bis in dessen Jugendjahre: Der Bruder von Jean-Baptiste Adamsberg wird als junger Bursche eines der Morde verdächtigt und taucht daraufhin unter. Adamsberg, von der Schuld des kaltblütige Richters überzeugt, kann dem einflussreichen Mann nichts anhaben und gibt die Verfolgung auf, als dieser stirbt.

Fast zwei Dekaden nach der Beerdigung des toten Richters setzt die erzählte Zeit ein: Adamsberg stößt auf ein Mordopfer, das die typischen Wundmale im Bauch aufweist – den Einstich eines Dreizacks. Adamsberg, mit seiner Vergangenheit und mit dem verdrängten Zweifel an der Unschuld des Bruders konfrontiert, geht auf Geisterjagd nach dem toten Richter und den maroden Gedanken, die sich in seinem eigenen Kopf breit machen. Dabei gerät er selbst in Verdacht.

Während einer Fortbildung in Kanada lässt sich Adamsberg, der schweren Liebeskummer sowie allgemeinen Groll gegen die Welt hegt, von einem unbekannten Mädchen verführen. Wenig später wird sie ermordet aufgefunden, mit Stichwunden im Bauch. Adamsberg besitzt, genau wie damals sein Bruder, kein Alibi für die Mordnacht, da er sich besinnungslos betrunken hat und sich an nichts erinnern kann.

Der „Wolkenschaufler“, der Träumer, der Einzelgänger Adamsberg muss nun, da er mit der harten Realität konfrontiert ist, erkennen, dass manches nicht im Alleingang gelöst werden kann. Zur Hilfe eilen ihm, wie es für einen Vargas-Krimi typisch ist, eine Reihe von liebevoll ausgearbeiteten Nebenfiguren, die zwar auf den ersten Blick nicht sehr heroisch anmuten, jedoch ihr Herz auf dem rechten Fleck haben: die dicke Kollegin Violette Retancourt wird zu Adamsbergs Fels in der Brandung, eine alte Dame zu seinem virtuellen Gehirn.

Der vierzehnte Stein thematisiert die Furcht vor dem Bösen in uns selbst und die Notwendigkeit der Freundschaft. Adamsberg geht durch eine lehrreiche, vielleicht sogar kathartische Phase in seinem fiktionalen Dasein. Dass er sich dabei auch noch als werdender Vater entpuppt, ist eine etwas klischeehafte Wendung und Metapher für den eventuell möglichen Neuanfang. Doch das mag man, genauso wie so manch unglaubwürdige Wendung im Plot, verzeihen angesichts solch einzigartig lebendiger und liebenswert verkorkster Figuren wie Vargas sie zeichnet.

jw
04.09.2005

 
Diese Rezension bookmarken:

Das Buch:

Fred Vargas: Der vierzehnte Stein. Aus dem Französischen von Julia Schoch

CMS_IMGTITLE[1]

Berlin: Aufbau Verlag 2005
479 S., € 22,90
ISBN: 3-351-03030-4

Diesen Titel

Logo von Amazon.de: Diesen Titel können Sie über diesen Link bei Amazon bestellen.