Krimis & Thriller

Drives und Drops

Rollstuhl und Glasauge, Holzbein und Armprothese ? in der ?Tr?mmertruppe? L?neburg treffen sich die skurrilsten Gestalten, um miteinander Badminton zu spielen. Groteskerweise ragt der Leiche, die dann kopf?ber in einer Kiste mit B?llen steckt wie einst Umberto Ecos Venantius im Schweineblut, ein mit exodussicherem ?Rohrfrei? gef?llter Ra?cketgriff aus dem Hintern.

Als die ermittelnden Kommissarinnen am Tatort eintreffen, steht ihnen so einiges bevor: Nicht nur die brutal penetrierte Leiche, auch der Entdecker derselben, Hausmeister ?Syfsac?, ein verwahrloster, nichtsdestotrotz l?sterner Kretin auf der vorletzten Stufe der sozialen Leiter, ?berfordert ihre Contenance und stellt die erlernte und erprobte Sozialf?higkeit auf eine harte Probe. Und das ist nur der schamlose Anfang ihrer Recherchen in diesem n?rrischen ?Badmintonmilieu?. Schlie?lich werden sie auf die Spur eines ausgesucht unsympathischen Sportladenbesitzers gef?hrt. Aber k?nnen sie ihm einen Mord nachweisen? Von seiner Schuld sind sie jedenfalls schnell ?berzeugt ...

Der Roman ?Jeder muss mal Federn lassen? zeichnet sich in allererster Linie durch ?berbordenden Bilderreichtum und vor nichts Halt machenden Spott aus, der ? von Sesamstra?enklamauk bis zum rabenschwarzen Humor nach britischem Vorbild reichend ? ungesch?tzt, treffsicher und unter Nutzung des optimalen Beschleunigungsweges auf den Leser niederprasselt; bald kommt man aus dem Lachen nicht mehr heraus.

Die sichere Basis bilden dabei sonst als ?Privatsph?re? dezent ?bergangene ?Schamregionen?: Ob Slipfetischismus, Analsex oder die haarkleine Beschreibung diverser menschlicher Entleerungen ? zimperlich darf man beim Lesen nicht sein.

Seri?se Krimileser werden indes etwas entt?uscht sein, denn der durch die Schule ber?hmter Ermittler gesch?rfte Blick f?r den potenziellen T?ter bzw. der Spa? am Mitr?tseln geht in dieser Flut gnadenlos unter. So kommen zwar en passant noch einige menschliche Staffagen zu Tode, aber wer glaubt, diese h?tten nun, wie wir das aus dem Genre kennen, etwas mit dem Toten zu tun, der t?uscht sich. Und ebenso wenig sollen die exorbitant geschilderten Lebensumst?nde die handelnden Personen dem Leser n?her bringen, um kunstvoll in die Handlung eingeflochten zu werden ? nein, vielmehr handelt es sich hier um weite ?Clears? des Autors, der mithilfe seiner blumigen Lustsprache respektive Sprachlust passioniert einen flotten Satz literarisches Badminton mit dem Leser spielt!

Doch nach 150 Seiten gen?sslicher Schilderung diverser Sonderlichkeiten aller, auch der peripher Beteiligten, bei aller Komprimiertheit und arkardischer Freude ? so langsam fragt man sich jetzt doch, wer denn nun eigentlich der M?rder ist. Oder wenigstens ein bisschen verd?chtig? Nach ausholenden ?Clears?, rasanten ?Drives? und punktgenauen ?Smashs? folgt hier ein ?Drop? in der Spannungskurve. Leider kann der Autor den Speed seines Skurrilit?tenfeuerwerks nicht bis zum Schluss aufrechterhalten. Und bis auf eine paar m?de Wiederholungswitze schleppt sich jetzt die Ermittlungsarbeit ? la Philipp Marlowe ? Intuition und Kaltschn?uzigkeit, aber im Herzen gut ? nur m?hsam voran. Auch die ausufernden amour?sen Nebenhandlungen ? die beiden Frauen haben die Ermittlungsarbeit zur privaten Recherche inmitten sportlicher, gut gebauter Badmintonspieler genutzt ? verst?rken das retardierende Moment.

Eine wirkliche ?berraschung f?r durchhaltende Lesekriminologen h?lt das Buch aber noch bereit: Obwohl sich die beiden liebesblinden Kommissarinnen recht schnell auf eines der erkl?rten Ekelpakete des Romans als T?ter einschie?en und es rundherum reichlich unschuldig wirkende Personen gibt, an deren Integrit?t, wie man meint, vorbereitend immer mal wieder sanft gekratzt wird, ist doch der urspr?nglich ins Auge Gefasste tats?chlich der M?rder! Ja, ihm widerf?hrt sogar f?r seine Sch?ndlichkeit am Schluss eine wahrhaft himmlische Strafe in Form einer Art fehlgeschlagenen, ?berdimensionalen g?ttlichen Badmintonballs ... Mehr wird hier nicht verraten.

dgk
18.07.2003

 
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Das Buch:

Matthias Kayser: Jeder muss mal Federn lassen

CMS_IMGTITLE[1]

Lüneburg: Neptuns Schreibwerkstatt 2002
248 S.
ISBN: 3-936725-00-4

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