Krimis & Thriller
Dark New World
Im Europa des Jahres 2035 ist nicht mehr viel von dem ?brig, was man noch gut zwei Jahrzehnte zuvor dort vorfinden konnte. Nord- und Ostsee sind nach einer ?lkatastrophe von einem durchg?ngigen ?lteppich ?berzogen, das Fahren mit dem Auto ist aufgrund der hohen Benzinpreise nicht mehr erschwinglich, gro?e Teile der Gesellschaft sind stark verarmt, w?hrend jeder einzelne durch seinen individuellen Tagger am Arm minuti?s ?berwacht werden kann. Kurzum: Das Bild von Europa entspricht demjenigen, das man sich lediglich in seinen gr??ten Alptr?umen ausgemalt haben mag.
In diesem Szenario l?sst Markus Stromiedel seinen Protagonisten Vincent H?fler, einen jungen in Br?ssel stationierten Offiziersanw?rter der Europ?ischen Milit?rpolizei, zu Untersuchungen in einem Fall abkommandieren, der sich im Osten Deutschlands in der N?he von Rostock ereignet hat. Dort war am Rande eines Milit?rgebiets ein alter Mann nackt und ermordet aufgefunden worden. Eine hei?e Spur f?hrt Vincent schnell ins nahegelegene Altenheim namens "First Ressort", einer Edelresidenz f?r alte Menschen.
Mit einem bescheidenen Abstand von gerade einmal etwas mehr als zwanzig Jahre in die Zukunft hat Stromiedel ein Szenario geschaffen, das jeden Leser abschrecken wird. Unpers?nlich und mit einer totalen ?berwachung versehen scheinen die meisten Menschen dahinzuvegetieren. Lediglich die Technik macht nahezu alles m?glich: Im Angesicht hochmoderner Kommunikationsm?glichkeiten, die in Bezug auf die Entwicklung in den vergangenen Jahren f?r das Jahr 2035 als durchaus realistisch erscheinen, werden die Smartphones der ersten Generation vom Hauptdarsteller als Museumsst?cke bel?chelt. Die pers?nlichen Tagger eines jeden Menschen erlauben s?mtliche Transaktionen und Identifikationen ?ber einen zentralen Server. Bargeld, Kredit- und EC-Karten sowie jegliche Ausweispapiere sind damit ?berfl?ssig geworden.
Bei der Jagd nach den M?rdern des toten Alten bezieht der Ich-Erz?hler Vincent ungewollt seinen Vater mit ein, der zu seiner Sturm- und Drangzeit einst als Globalisierungsgegner unterwegs war und sich insbesondere auf einem G8-Gipfel in den Nuller Jahren an der Ostseek?ste hervorgetan hat. ?berhaupt tummeln sich in der besagten Seniorenresidenz einige Altaktivisten. Dabei scheint das "First Ressort" wahrlich ein Nonplusultra der Altenpflege zu sein. Unter der riesigen Kuppel mit seinem angenehmen Klima und einem heilen und perfekten Mikrokosmos werden gebrechliche Alte wieder fit und genie?en die sp?ten Jahre ihres Lebens. Doch ist sich Vincent sicher, dass hier der Schl?ssel f?r den ermordeten Alten liegen muss.
Markus Stromiedel ist mit "Die Kuppel" ein d?sterer und packender Thriller gelungen, der einen nicht mehr losl?sst, sobald man eingetaucht ist und einige Gegebenheiten akzeptiert hat, die man als erfahrener Leser vielleicht anders kennt und erwartet. Stromiedel fokussiert sich nahezu ausschlie?lich auf die Haupthandlung und h?lt den Leser mit Informationen rund um die Situation im Jahre 2035 an der kurzen Leine. Die Charaktere selbst sind von Stromiedel nur rudiment?r herausgearbeitet und mit wenig Tiefe versehen worden. Die Handlung dagegen treibt er in einem hohen Tempo voran, wobei manches allerdings vom Himmel zu fallen scheint. Handlungs?berg?nge und Kausalit?ten erscheinen einem nicht immer logisch und konsequent, doch liest man gerne dar?ber hinweg, da einen die Spannung bei diesem Pageturner permanent vorantreibt.
Handwerklich hat Stromiedel bez?glich der schriftstellerischen Gestaltung noch ein wenig Luft nach oben, doch muss man ihm unumwunden das Kompliment machen, mit "Die Kuppel" einen schnell und spannend zu lesenden Thriller geschrieben zu haben, der einen traurig und d?ster mit Sorgen ?ber die Zukunft zur?ckl?sst. Die schmerzhafte winterliche Atmosph?re im Buch gepaart mit der autorit?ren ?berwachung durch die Obrigkeiten lassen nicht viel Gutes hoffen f?r die Zukunft. Doch besitzen selbst scheinbar perfekte Systeme noch Sicherheitsl?cken, wie die von Stromiedel geschickt integrierte Rahmenhandlung dem Leser bereits fr?hzeitig Hoffnung macht. Wer Dystopien mag, kann sich dieser Tage ?ber ausreichendes Lesefutter garantiert nicht beklagen und wird sich sicherlich auch an "Die Kuppel" m?chtig erfreuen.
Christoph Mahnel
07.05.2012