Krimis & Thriller

Offenbacher Abgründe

Offenbach im Januar 2010: Die große Kälte hat die kleine und ungeliebte Schwester Frankfurts genau so fest im Griff wie ein Serienmörder die dortige Polizei. Peter Brandt ist gerade aus einem erholsamen Urlaub mit seiner Freundin und zugleich zuständigen Staatsanwältin Elvira Klein zurückgekehrt. Die Turbulenzen um den Prostituiertenmörder, der seine Opfer mit religiös angehauchten Symbolen ausstaffiert, nehmen Brandt sofort wieder in Beschlag. Darüber hinaus sorgt die schwere Erkrankung seiner bisherigen Partnerin Nicole Eberl für einen persönlichen Tiefschlag, der Brandt emotional auf dem Zahnfleisch kriechen lässt.

Andreas Franz ist ein schriftstellerisches Phänomen. Trotz gesundheitlicher Rückschläge produziert er Jahr für Jahr mit einer derart hohen Frequenz, dass die Anhänger einer jeder seiner drei Krimiserien zufriedenstellend versorgt werden. Neben den Offenbacher Fällen rund um Peter Brandt hat Franz noch seine Lieblingskommissarin und dienstälteste Romanfigur Julia Durant im Morast Frankfurts platziert. Des Weiteren operiert im hohen Norden Franz' neueste Polizeistelle mit Sören Henning in Kiel, zuletzt mit "Eisige Nähe" Anfang 2010 im Brennpunkt des Geschehens. Julia Durants letzter Fall stammte aus 2009, ihr neuester Roman "Todesmelodie" ist für November 2011 angekündigt. Aufgrund der Fülle an Geschichten bleibt es naturgemäß nicht aus, dass der Franz-erfahrene Leser mitunter immer wiederkehrenden Motiven und Fallmustern begegnet, so auch in der vorliegenden Geschichte.

Einmal mehr befinden sich Damen des Rotlichtmilieus in größter Gefahr, da ein scheinbar psychopathischer Serienmörder sich auf das Morden von Frauen verschrieben hat, die nach außen hin ein bürgerliches Leben vorgeben, sich des Nachts aber mehr oder weniger freiwillig dem horizontalen Gewerbe widmen. Nachdem Brandt dem Zusammenhang, dass drei der Opfer Mitglieder einer kirchlichen Gemeinde in Offenbach-Bieber sind, auf die Schliche gekommen ist, scheint sich die Schlinge um den Hals des Täters langsam zuzuziehen. Dennoch wartet Franz mit einem furiosen und sehr zeitkritischen Finale auf, das selbst für die Kenner von Franz-Romanen noch eine ordentliche Überraschung bereithält.

Die Vorzüge und Erfolgskriterien der Krimis aus der Feder von Andreas Franz liegen auf der Hand: Zum einen hat er einen starken Zulauf aus dem Rhein-Main-Gebiet, da lokale Identifikation stets ein großes Plus für Bücher darstellt. Zum anderen übt die Aktualität der Fälle einen enormen Reiz auf seine Leserschaft aus. Im vorliegenden Buch spielt die Handlung im Jahrhundertwinter 2009/2010, an den sich jeder noch mit frostigem Schrecken erinnern kann. Weiterhin integriert er ähnlich wie die "Lindenstraße" mit einem aktuellen Thema wie den Vergewaltigungsvorwürfen an katholischen Internaten oder ähnlichen Institutionen öffentliche Reizthemen geschickt in die Handlung seiner Krimis. Vor allem aber ist es letztlich die Magie von Franz' Schreibstil, die seine Bücher wie Magneten am Leser hängen lässt. Selbst in Übergangspassagen verschlingt der Leser gerne auch einmal hundert Seiten, ohne das Buch ein einziges Mal zur Seite zu legen. Da wird sogar ein Buch wie "Teufelsleib", das im Franz-internen Ranking höchstens einen Mittelfeldplatz einnimmt, an ein bis zwei Abenden vom Leser konsumiert, der einmal darin versunken aufschrickt ob der weit vorangeschrittenen Zeit.

"Teufelsleib" lebt sehr von der Weiterführung der persönlichen Entwicklung des Protagonisten Peter Brandt, dessen noch junge Beziehung zu seiner Freundin weiter intensiviert wird. Dagegen liegt die schockierende Nachricht über die schwere Krankheit seiner Kollegin Nicole wie ein Schatten über den Charakteren. Obgleich diese Entwicklungen für Franz-Novizen wenig dramatisch sind, lohnt sich dieser Roman ebenso wie jeder andere von Andreas Franz ungeprüft und ungesehen als hervorragender Einstieg in die Welt der Kriminalität aus der Sicht des gebürtigen Quedlinburgers. Sowohl die organisierte Kriminalität als auch die emotionale Kälte des Rotlichtmilieus sind immer wiederkehrende Themen in den Romanen des bei Frankfurt lebenden Schriftstellers. Dabei kann Franz getrost als ein Kenner der Materie bezeichnet werden. Seine Kontakte zur Polizei sind hervorragend, was eine realitätsnahe Beschreibung der Fälle garantiert. Mit Franz ist es ähnlich wie mit Donna Leon und ihrem Kommissar Brunetti, denen man auch einmal einen schlechteren Roman verzeiht, ohne den Kauf des nächsten überhaupt in Frage zu stellen. Schließlich folgen zum einen auf schlechte Zeiten auch wieder bessere Zeiten und zum anderen will man natürlich unbedingt wissen, was aus den vertrauten Rechtshütern Brandt, Durant und Henning denn zukünftig werden wird. 

Christoph Mahnel 
06.12.2010 

 
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Das Buch:

Andreas Franz: Teufelsleib

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München: Droemer Knaur Verlag 2010
560 S., € 9,99
ISBN: 978-3-426-63943-6

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