Krimis & Thriller

Annika reloaded

Ihr mittlerweile achter Fall führt die Journalistin Annika Bengtzon in den spanischen Süden an die Costa del Sol und somit erstmals über die schwedischen Grenzen hinaus. Sebastian Söderström, ein ehemaliger schwedischer Eishockeyprofi, wird mit seiner Familie Opfer eines Giftgasüberfalls auf seine luxuriöse Villa in Marbella. Der allseits gar nicht so beliebte Star, zwei seiner Kinder, Söderströms Frau und seine Mutter mussten bei diesem Einbruch ihr Leben lassen. Dass die Vorgehensweise der Täter keine Seltenheit ist in dieser Gegend, der Welt der Reichen und Schönen, weiß Liza Marklund gut recherchiert zu berichten, denn Überfälle mit Giftgas zählen tatsächlich zu den häufigsten Einbruchsmethoden in Spanien. Marklund muss es schließlich wissen, denn sie selbst lebt inzwischen zeitweise mit ihrer Familie in Marbella.

Nach einigen Durchhängern in ihren letzten beiden Büchern, insbesondere in "Nobels Testament", kommen Liza Marklund und damit auch Annika Bengtzon wieder richtig in Fahrt. Die Kritik der Fangemeinde wandte sich in der jüngsten Vergangenheit vorrangig gegen die ausufernden Beschreibungen der privaten Irrungen Annikas, die mit ihrer depressiven Garstigkeit eine entsprechend düstere Atmosphäre beim Lesen schaffte. Dass das Transportieren solcher Stimmungen bis hin zum Gemüt des Lesers natürlich ein bemerkenswerter Verdienst der Autorin ist, steht außer Frage. So hat der geneigte und mitfühlende Leser bereits viel durchlitten mit Annika und ihrem einer Achterbahn ähnelnden Privatleben: angefangen mit ihrer Beziehung und dubiosen Beteiligung am tödlichen Unfall ihres früheren Freundes Sven, über ihr Single-Dasein, schließlich die Ehe mit Thomas und Geburt ihrer beiden Kinder bis hin zur Trennung, einem Zustand, der - und damit sei nicht zuviel verraten - auch das vorliegende Buch noch überdauert.

"Kalter Süden" wirkt frisch, fast schon wie eine Wiedergeburt der Annika Bengtzon. Einen großen Anteil daran trägt sicherlich die Tatsache, dass Annikas Sexualleben wieder in Schwung kommt, was Annika selbst und dem vorliegenden Buch ob der wiederentdeckten Leichtigkeit der Hauptdarstellerin mehr als gut tut. Mit diesem Rückenwind erscheint die Protagonistin auch wieder als die bewundernswerte Macherin, deren unkonventionelles, aber tatkräftiges Auftreten Umfeld und Leser schon immer beeindruckt hat. Ebenso bringt der Wechsel des Handlungsplots mit der Region um Marbella eine neue Note ins Spiel, ohne dabei aber Schweden tatsächlich zu verlassen: Denn rund um die andalusische Luxusstadt haben sich schließlich ca. 40.000 Schweden zu einer eigenen Auswanderergemeinschaft zusammengefunden.

Der Mord an Sebastian Söderström dient nur als Aufhänger und Einstieg in das vorliegende Buch, letztlich mündet "Kalter Süden" rasch in die eigentlichen Handlungsstränge, in denen es vorrangig um Drogenschmuggel, Geldwäsche und Wirtschaftskriminalität geht. Annika Bengtzon lässt sich dabei viel Zeit, da ihr Liza Marklund erstmals über 500 Seiten Platz einräumt, den Fall zu Ende zu bringen. Dies ist allerdings auch bitter nötig, da Altlasten aus dem letzten Annika-Bengtzon-Roman "Lebenslänglich" zu lösen sind. Das dort verübte Verbrechen am Polizisten David Lindholm und die Wiederaufnahme des Verfahrens gegen den mutmaßlichen Täter werden erneut thematisiert und schlussendlich auch mit dem Drama um die Söderström-Familie verknüpft. Dies macht Annika-Bengtzon-Romane für Einsteiger nicht mehr uneingeschränkt empfehlenswert, da den einzelnen Werken teilweise ihre Eigenständigkeit und Abgeschlossenheit abhanden kommt. Dafür kommen Annika-Bengtzon-Fans voll auf ihre Kosten, schließlich wird von ihnen nun mehr verlangt, vielleicht die vorherigen Bücher nochmals aus dem Schrank zu holen und nachzuschlagen, wie denn dies oder das eigentlich war.

"Kalter Süden" wirkt nicht nur wie ein Neuanfang der Reihe um die Journalistin vom "Abendblatt", sondern als Kriminalroman auch sehr glaubwürdig und wohl recherchiert. Der Leser erhält neben einer spannenden Story noch Einblicke in die Hintergründe des Steuerparadieses Gibraltar und in die Transportwege und Schmuggelvarianten des europäischen Drogenhandels. Auch wenn sich Roman-Serienhelden in der Regel mit der Zeit deutlich abnutzen, ist das vorliegende Buch ein deutliches Beispiel dafür, dass es auch anders geht. Mit "Kalter Süden" schüttelt Annika Bengtzon den Schwermut aus den letzten Romanen ab und zeigt an, dass man zukünftig auf noch viele spannende Stunden mit ihr und Liza Marklund hoffen darf!

Christoph Mahnel
05.10.2009

 
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Das Buch:

Liza Marklund: Kalter Süden. Aus dem Schwedischen von Anne Bubenzer und Dagmar Lendt

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Berlin: Ullstein Verlag 2009
517 S., € 19,90
ISBN: 978-3-550-08751-6

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