Krimis & Thriller

Ein ganz guter Roman

Håkan Nesser ist im Bewusstsein deutscher Leser in der Kategorie "Schwedische Kriminalautoren" die gefühlte Nummer Zwei hinter Henning Mankell. Wie auch der Wallander-Schöpfer hat Nesser mit den van-Veeteren Romanen bereits eine Serie von Kriminalromanen rund um einen Ermittler abgeschlossen, nachdem er diesen in "Sein letzter Fall" in Rente geschickt hat. Nun lässt Nesser seit neuestem Inspektor Gunnar Barbarotti aus Kymlinge in West-Schweden ermitteln. Nach "Mensch ohne Hund" ist der vorliegende Roman "Eine ganz andere Geschichte" der zweite Fall dieses neuen Protagonisten.

Inspektor Barbarotti hat eine Scheidung hinter sich und ist unfähig, seinen Beruf aus seinem Privatleben herauszuhalten. Neben diesen zwei Charakteristika, die vielen Ermittlern in der Literatur der Kriminalromane anheften, hat Barbarotti auch Züge, die ihn aus dieser einheitlichen Masse hervorheben lassen. Er ist bibelfest und hat bemerkenswerte Ansichten über die Kommunikation zwischen dem Herrgott und den Menschen: "Manchmal, dachte ich, das menschliche Gehirn ist nur ein Tummelplatz für eine höhere Macht, die dasitzt und Patiencen legt. Zumindest haben sie mir so ein Gehirn gegeben." Daneben spielt Barbarotti noch sein ganz persönliches Spiel mit Gott, das Punkte verteilt, je nachdem, ob Barbarottis Gebete erhört werden oder nicht. Falls sie nämlich Barbarotti Erleuchtung bringen, dann bekommt Gott die Punkte gutgeschrieben, bleiben die Gebete ohne Wirkung, darf Barbarotti sie auf der Habenseite notieren. Außerdem ist Barbarotti gerade frisch verliebt und plant eine familiäre Zukunft der besonderen Art.

Gunnar Barbarotti erhält in Form von an ihn adressierten Briefen knappe Mitteilungen, die den Tod bestimmter Personen ankündigen. Offenbar gibt es zunächst keinen Zusammenhang zwischen diesen – letztendlich – fünf Opfern. Der Leser hat den Ermittlern gegenüber allerdings einen Wissensvorsprung, wird ihm doch parallel und in mehrere Abschnitte unterteilt, eine ganz andere Geschichte erzählt, die sich fünf Jahre zuvor in einem Sommerurlaub in der Bretagne zugetragen hat: Sechs Urlauber aus Schweden verleben dort zunächst unbeschwerte Sommertage, die allerdings auf einen dramatischen Höhepunkt zusteuern, der Auslöser für die Morde in Kymlinge fünf Jahre später zu sein scheint. Erst spät im Buch laufen die Handlungsstränge zusammen, liefern dem Leser allerdings noch einige unerwartete Überraschungen und Wendungen.

Håkan Nesser ist mit "Eine ganz andere Geschichte" ein vorzüglicher Kriminalroman gelungen, in dem er handwerklich geschickt das Tempo des Romans diktiert. Mal entschleunigt er und bringt die Gefühlswelt Barbarottis näher, mal beschleunigt er wieder und hält den Leser gefangen. Seine Geschichte ist darüber hinaus sehr realistisch konzipiert, als dass sich in ihr verzwickte und künstlich konstruierte Zusammenhänge banaler auflösen als eventuell vom Leser erwartet. Dies jedoch demonstriert treffend die Kunst von Ermittlern, die Dinge anders zu betrachten, als sie sich oftmals vordergründig darstellen.

Christoph Mahnel
22.09.2008

 
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Das Buch:

Håkan Nesser: Eine ganz andere Geschichte. Aus dem Schwedischen von Christel Hildebrandt

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München: btb Verlag 2008
602 S., € 19,95
ISBN: 978-3-442-75174-7

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