Krimis & Thriller
Zeitgeschichte vermischt mit Fiktionen zu einem actionreichen und außergewöhnlichen Spionageroman - ein eher ungewöhnliches Debüt, aber definitiv auch eines, das sich mehr als lesen lassen kann
September 1945. In den Trümmern von Berlin werden zwei Manuskripte gefunden, die jeweils widersprüchliche Versionen des Lebens eines irischen Spions während des Krieges wiedergeben. Das eine ist das Tagebuch des deutschen Offiziers des militärischen Nachrichtendienstes und Nazi-Gegners Adrian de Groot, der seine Beziehung zu seinem Agenten, Freund und manchmal auch Liebhaber, einem Iren namens Proinnsias "Frank" Pike, aufzeichnet. In de Groots Erzählung ist Pike ein charismatischer IRA-Kämpfer und sozialistischer Agitator, der aus dem spanischen Gefängnis entlassen wird, um bei der geplanten deutschen Invasion Großbritanniens zu helfen, der aber nie die Chance bekommt, seinen Pakt mit dem Teufel zu erfüllen. Der Plan ist, Irland an der Seite der Deutschen gegen England aufzubringen. Doch diverse Missions-Versuche schlagen allesamt fehl ...
Das andere Manuskript enthält eine ganz andere Darstellung der Taten des Iren. Unter dem Alter Ego des keltischen Helden Finn McCool tritt Pike hier als der ultimative alliierte Saboteur auf. Sein Auftrag: eine Attentatskampagne auf hochrangige Nazi-Ärzte, die in der Ermordung von Hitlers Leibarzt gipfelt. Und laut den Aufzeichnungen, die im Übrigen sehr literarisch und damit stilistisch und erzählerisch-künstlerisch wirken, vermag Pike tatsächlich, den einen oder anderen Mord auszuüben. Jedoch scheint es schier unmöglich, an Theo Morell persönlich heranzukommen. Der nimmt keine neuen Patienten mehr an. Und eines Tages fallen die Sprechstunden ganz aus. Morell soll sich einzig und allein um Hitlers Gesundheit kümmern. Pike braucht einen neuen Plan, noch dazu einen, der endlich zum gewünschten Erfolg führt ...
Aber welche Variante, welche Version der Wirklichkeit stimmt? Klar ist einzig, dass wie jede Geschichte ähnlich wie jede Medaille zwei Seiten hat. Und beide haben ihre Daseinsberechtigung. Und ebenso klar ist, dass Pike so einiges riskiert, nicht zuletzt sein Leben. Laut de Groot soll Pike wegen dessen Nutzlosigkeit in ein Konzentrationslager gebracht werden. Doch de Groot wendet eine List an, die allerdings jemand anderem den Tod bringen könnte. Während Pike am Leben, aber auch ein Rätsel bleibt. Ihm umgibt ein Geheimnis, das zu lüften sich als Leser von "Der Ire" wahrlich lohnt.
Thrill-Time, die ebenso fesselnd wie überraschend anders als das meiste im Bücherregal ist - "Der Ire" von Peter Mann zu lesen, versetzt einen in einen Rausch sondergleichen. Die Story erinnert an ein bisschen an Ian Flemings James Bond, der allerdings während des Zweiten Weltkriegs ermittelt. Also, was man hier in die Hände bekommt, ist nicht mehr und nicht weniger als ein Geniestreich. Man taucht gleich ab der ersten Seite regelrecht in diese Geschichte ein und bekommt über solch einen Genuss von der Welt um sich herum nichts mehr mit. Nicht einmal, wenn eine Bombe neben einem explodieren würde! Der US-amerikanische Schriftsteller sorgt auf jeder Seite für Unterhaktung der mitreißenden sowie mörderischen Sorte. Seine Bücher zu lesen, bedeutet eine Gefahr, weil nicht nur stark erhöhter Puls, sondern auch weil stärkste Suchtwirkung!
Eines der genialsten Thrillerdebüts der letzten Jahre, gar Jahrzehnte? Das ist Peter Mann mit "Der Ire" definitiv und ohne jeden Zweifel gelungen. Und noch einiges mehr: nämlich Spannung, die einem über viele Stunden lang nicht mehr zum Atmen kommen lässt. Die Literaturwelt ist um einen weiteren Top-Autor reicher, noch dazu um einen, der das Genre hoffentlich ordentlich aufmischen wird. Für jemanden wie Mann und für seinen Erstling wurde es längst einmal Zeit!
Susann Fleischer
23.09.2024