Krimis & Thriller
Who's Jack? Jage Jack the Ripper!
Herbst 1888: Eine Serie von Morden an jungen Frauen hält die Londoner Öffentlichkeit in Atem. Niemand scheint den Mörder, der seine Opfer grausam verstümmelt, fassen zu können. Wirklich niemand? In "1888:- Wer ist Jack the Ripper?" von M.H. Steinmetz begibt sich der Leser auf die Spur des legendären Killers. Denn hierbei handelt es sich um einen interaktiven Horror-Roman - also ein Spielbuch, bei dem das Lesepublikum den Fortgang der Handlung selbst beeinflussen kann.
M.H. Steinmetz kreiert eine düstere und stimmige Atmosphäre, die Leser bei der Lektüre hautnah in das London gegen Ende des 19. Jahrhunderts versetzt. Dabei sind die teils drastischen Beschreibungen nichts für zu junges Lesepublikum. Zur Stimmung tragen auch die ansprechend gestalten Schwarz-Weiß-Zeichnungen bei. Ein echtes Highlight ist das packende Finale im letzten Kapitel des Buches. Wer die historischen Fakten selbst etwas recherchiert, bemerkt zudem in den ersten Abschnitten zahlreiche Details, die der Autor in seine Beschreibungen einfließen lässt. Fans von Schauerliteratur dürften zudem auf zahlreiche bekannte fiktive Charaktere treffen. Dokumente im Anhang des Buches, zu denen Spieler nach und nach Zugang erhalten, verstärken noch die Immersion und vertiefen das Spielerlebnis.
Zudem ist der Wiederspielwert hoch, da mit dem Inspektor Frederick G. Abberline und der jungen Ada Wilson gleich zwei Charaktere zur Auswahl stehen. Während einige Spielbücher ein eher komplexes Regelsystem haben, ist dieses in diesem Buch einfach und intuitiv gehalten: Es gibt neun Eigenschaften, auf die Spieler Punkte verteilen können und im Laufe der Handlung Proben ablegen müssen.
Wo viel Licht ist, ist bekanntlich auch oft viel Schatten. Einige Schwachpunkte trüben auch hier das schaurig-schöne Leseerlebnis etwas. Stellenweise sind etwa Auswahlmöglichkeiten, die ja letztlich ein Spielbuch ausmachen, Mangelware. Dann lässt sich oft auch nur die Reihenfolge der besuchten Abschnitte beeinflussen. Immer wieder muss der Leser deshalb mangels Optionen auch seltsam anmutende Entscheidungen der Hauptfigur über sich ergehen lassen. Hier wäre es ratsam gewesen, einige Abschnitte und Beschreibungen zu kürzen und dafür mehr Interaktionsmöglichkeiten zu bieten.
Denn einige Längen gibt es im Text. So muss etwa ein Obduktionsbericht in einem Spielbuch wirklich keine neun Seiten umfassen. Ein weiterer Kritikpunkt bezieht sich auf die Präsentation der Briefe im Anhang. Zwar ist es generell löblich, hierfür einen Schrifttyp zu verwenden, der an eine Handschrift erinnert. Hier geht die verschnörkelte Schrift allerdings zu sehr zulasten der Lesbarkeit.
M.H. Steinmetz hat ein packendes und stimmungsvolles Spielbuch kreiert, das vor allem mit einem furiosen Finale punkten kann und in dem sich zahlreiche interessante Anspielungen finden. Trotz einiger Schwächen sollten sich Horror- und Phantastikfans unbedingt auf die Jagd nach Jack the Ripper begeben.
Ingo Gatzer
27.05.2024