Krimis & Thriller

Tödlicher Cidre

Ein goldener Spätsommer sorgt für reichlich gute Laune in der Bretagne. Doch nicht allerorten ist diese von Dauer. Inspektor Kadeg, einer von Kommissar Dupins wichtigsten Mitarbeitern, ist betrübt ob der schlechter werdenden Konstitution seiner Lieblingstante. Nachdem nur für Bretonen nachvollziehbare Vorzeichen ihr Ableben bereits andeuteten, stirbt Joëlle Contel tatsächlich, hochbetagt und scheinbar einer natürlichen Todesursache erlegen. Doch als Kadeg am selben Abend noch einmal im Haus seiner Tante vorbeischaut, wird er im Garten angegriffen und unter erheblicher Gewalteinwirkung lebensgefährlich verletzt. Kann dies purer Zufall gewesen sein oder gibt es Zusammenhänge zwischen dem Überfall auf den Inspektor und dem Ableben seiner Tante? Kommissar Dupin ist überzeugt davon, dass Letzteres der Fall ist und der Tod von Madame Contel keineswegs natürlich war.

Beim Eintreffen auf dem Anwesen der Verstorbenen offenbart sich Dupin und seinen Kollegen sogleich eine bunte Familienschar, die vom Erbe Joëlle Contels profitieren wird. Die idyllisch im Nordwesten der Bretagne gelegene Abtei mit ihren zahlreichen Gebäuden und Obstgärten kommt sehr geschichtsträchtig und facettenreich daher. Bei seinen Ermittlungen stößt Dupin in viele Richtungen vor, doch scheint es kein klares Bild bezüglich eines möglichen Mordmotivs zu geben, bis schließlich der Gärtner der verstorbenen Dame tags drauf auf seinem eigenen Grundstück mit einer Schaufel erschlagen aufgefunden wird. Der zweite Tote innerhalb von vierundzwanzig Stunden, dazu ein ähnlicher Vorfall wie der mit Inspektor Kadeg. Nun ist sich Dupin hundertprozentig sicher, dass hier keine Zufälle vorliegen, sondern eine größere Sache, die er nur noch entdecken muss.

"Bretonische Nächte" ist der Titel des in diesem Sommer erschienenen elften Falls für Kommissar Dupin. Jörg Bong alias Jean-Luc Bannalec sorgt somit seit nunmehr einem ganzen Jahrzehnt für hervorragende Unterhaltung vieler lesebegeisterter Menschen in deren Sommerurlaub. Anno 2012 war Dupin mit "Bretonische Verhältnisse" auf die Bühne gestürmt und hat seitdem viele Fans gewonnen, die es Jahr für Jahr kaum erwarten können, gemeinsam mit ihm in der Bretagne zu ermitteln und dabei Land und Leute genießen zu dürfen. In den letzten zehn Jahren hat sich nicht nur Dupin in die Bretagne, in die er sich einst mehr oder weniger notgedrungen hat versetzen lassen, verliebt, sondern auch seine Leser. Schrullige Charaktere mit einem ausgeprägten Traditionsbewusstsein haben bei vielen Lesern den Wunsch zu Tage gefördert, in der Bretagne Urlaub machen zu wollen. Eine einzigartige Landschaft, hervorragendes Essen und eine Ansammlung von Mythen liefern zahlreiche Gründe für einen Besuch dieser Gegend am Ende Europas.

Im vorliegenden Buch wendet der Autor wieder seine altbekannten Schemata an. Die gesamte Handlung spielt sich sehr komprimiert innerhalb von gut zwei Tagen ab, die entsprechende Kapitelgliederung liefert dem geneigten Leser die zeitliche Orientierung. Auch kommt die bewährte Dupin'sche Ermittlungsmethodik zum Einsatz. Nachdem die potentiellen Verdächtigen identifiziert wurden, macht sich der Kommissar unterstützt durch sein Team an die Arbeit und befragt die Kandidaten beinahe im Stundentakt. Obwohl einige sehr verdächtige Fährten scheinbar rot aufblinken, weiß der erfahrene Dupin-Leser, dass mindestens noch ein Twist bevorsteht. Bevor dieser allerdings zur Anwendung kommt, werden die Einblicke in Dupins Gedankenwelt vom Autor heruntergefahren, so dass der Protagonist ein merkwürdiges Verhalten an den Tag legt und im Alleingang unter Hochdruck scheinbar erratisch agiert. Doch schließlich kann der Fall dank Dupins hervorragender Kombinationsgabe und ausgeprägter Menschenkenntnis ganz im Sinne eines Sherlock Holmes gelöst werden.

Klar ist, dass sich nach elf Büchern und einem elfmal angewandten Muster Abnutzungserscheinungen ergeben und der eine oder andere Leser diesen Stil als monotones Hamsterrad empfindet. Doch hat Bannalec mit seinen Charakteren und deren Umfeld eine so liebenswerte Atmosphäre geschaffen, dass man ihm dies gerne verzeiht. Wer kluge Ermittlungsarbeit und das französische "Savoir-vivre" liebt und offen für immer neue Themen zu Land und Leuten ist, der wird nie genug bekommen von Bannalecs Dupin-Romanen, auch wenn der im Juni 2023 erscheinende zwölfte Fall garantiert wieder in zwei oder drei Tageskapitel gegliedert sein und nach obigem Schema ablaufen wird.

Christoph Mahnel 
05.09.2022

 
Diese Rezension bookmarken:

Das Buch:

Jean-Luc Bannalec: Bretonische Nächte

CMS_IMGTITLE[1]

Köln: Kiepenheuer & Witsch 2022 336 S., € 17,00 ISBN: 978-3-462-05403-3

Diesen Titel

Logo von Amazon.de: Diesen Titel können Sie über diesen Link bei Amazon bestellen.