Krimis & Thriller

Schlemmen wie Bruno im Périgord

Prinzipiell ist das Périgord prädestiniert dafür, einen geruhsamen und ausgedehnten Lebensabend verbringen zu dürfen. Doch im Falle des alten Driant fand dieser ein überraschendes, weil überaus abruptes Ende. Sein Sohn ist sichtlich irritiert und informiert Bruno, den Dorfpolizisten von Saint-Denis, darüber. Erste Nacherforschungen ergeben rasch, dass der durchaus fidele Herr sein Vermögen etwas zweifelhaft investiert hat, um in einer nahegelegenen Seniorenresidenz noch einige durchaus luxuriöse Jahre verbringen zu dürfen. Die hinter diesem Projekt stehenden Männer, ein schmieriger Notar und ein dubioser Versicherungsverdreher, wecken sogleich im Erstgespräch Brunos Missgunst. Doch öffnet sich ein ungleich tieferer Abgrund bei einem Blick auf den Strippenzieher hinter diesem Finanzkonstrukt, ein prorussischer Ukrainer mit allerbesten Beziehung zu Wladimir Putin. Das Gedankenkarussell beginnt zu rotieren, hier scheint auch im Hinblick auf Driants allzu plötzliches Ableben alles möglich zu sein.

Ansonsten wabert das lukullische Treiben in Saint-Denis in gewohnter Weise vor sich hin. Einzig die Ankündigung zweier Eigentümer, ihr markantes Château zu veräußern, sorgt für Irritationen. Seit vielen Jahren wird dieses von einer britischen Rocklegende und seiner viel jüngeren Frau betrieben und mit Leben befüllt. Doch nun wünscht letztere die Scheidung, ein Verkauf des Objekts, das ob seiner Besitzer als "Château Rock" bezeichnet wird, erscheint unausweichlich. Ein zentraler Punkt des gesellschaftlichen Lebens in Saint-Denis droht wegzubrechen. Für ein letztes Halali kommen noch einmal alle zusammen, darunter Tochter und Sohn samt einer Entourage von Freundinnen und Freunden. Die Musik steht dabei im Mittelpunkt der Aktivitäten und urplötzlich scheint sogar ein Comeback des früheren Rockstars möglich, wobei Bruno in bekannter Manier geschickt die Fäden im Hintergrund zieht.

"Französisches Roulette" lautet der Titel des diesjährigen Falles von Bruno Courrèges. Der Schotte Martin Walker schickt seinen Protagonisten in dessen mittlerweile dreizehnten Fall. Der ehemalige Journalist und nunmehr im Périgord ansässige Privatier hatte vor dreizehn Jahren mit "Bruno, Chef de police" die Erfolgsgeschichte vom Stapel gelassen. Daraus entwickelte sich über die Jahre eine der erfolgreichsten Serien auf dem deutschen Büchermarkt. Die im Zürcher Diogenes Verlag erscheinenden Bücher folgen dabei einer präzisen Taktung, da stets im April respektive Mai ein neuer Fall Brunos in die hiesigen Buchhandlungen gelangt. Beruhigend ist dabei auch der Blick in die Zukunft, für einen vierzehnten Fall ist nämlich bereits gesorgt. Im englischen Original ist dieser Tage "The Coldest Case" erschienen, die deutsche Übersetzung folgt bekanntermaßen knapp zwölf Monate später.

Wer Bruno und dessen Freunde seit der ersten Stunde mitbegleitet, hat bereits einige spannende Fälle durchlebt, die Annehmlichkeiten des Lebens im Périgord genossen und einige Hochs und Tiefs im Gefühlsleben des Protagonisten miterlebt. Leider scheint dem sympathischen Helden kein beschauliches Familienleben vergönnt zu sein. Seine liebsten Damen sind aus verschiedensten Gründen nicht geeignet für ein Leben als Familie mit Kindern. Auch dieses Mal hat mit Isabelle wieder einmal die heißeste Kandidatin in Brunos Herzen einen Auftritt. Eine feurige Liebesnacht wird lediglich angedeutet, die Absage an ein Leben mit Ring am Finger dagegen explizit ausgesprochen. Martin Walker bespielt gekonnt das Bedürfnis seiner Leser, nicht nur jedes Mal einen spannenden Fall vorgelegt zu bekommen, sondern auch die Charaktere weiterentwickelt zu bekommen. Allerdings ist nach dreizehn Büchern sicherlich der Punkt gekommen, an dem die Geschichte um Bruno Courrèges nochmal einen Twist bekommen sollte.

Auch ansonsten ist "Französisches Roulette" die altbekannte Mixtur aus Trinken und Essen, einem konkreten Fall und dem liebgewonnenen Wiedersehen der Leser mit guten Freunden. Doch ist im vorliegenden Buch der Gehalt von detailliert beschriebenen Schlemmertafeln außergewöhnlich hoch, die Schilderungen aller spezifischen Zutaten sowie deren Zubereitung nehmen dieses Mal noch mehr Raum ein als sonst. Dafür wird der eigentliche Fall durchaus stiefmütterlich behandelt, so dass es erst im allerletzten Kapitel zu einem dann unerwarteten Showdown im besagten "Château Rock" kommt. Leser von Donna Leons Brunetti-Romanen werden sich bei "Französisches Roulette" durchaus an einige Fälle aus Venedig erinnert fühlen, wenn der Ermittler trotz offensichtlicher Beweise den Mächtigen kein Bein stellen kann, sondern frustriert mitansehen muss, wenn übergeordnete Belange und Druckmittel schwerer wiegen als handfeste Indizien. Doch im kommenden Jahr wird sich Martin Walker für Bruno garantiert wieder etwas Spannenderes und Unvorhergesehenes ausgedacht haben.

Christoph Mahnel 
31.05.2021

 
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Das Buch:

Martin Walker: Französisches Roulette. Aus dem Englischen von Michael Windgassen

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Zürich: Diogenes Verlag 2021 400 S., € 24,00 ISBN: 978-3-257-07118-4

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