Krimis & Thriller

Gegen alle Vernunft

Emma Sköld, die leidgeprüfte Polizistin, ist mit ihrer Tochter Ines ins verwaiste Haus ihrer Schwester eingezogen. Zusammen mit Nyhlén, ihrem Kollegen und Lebensgefährten hat sie das Haus in Bromma, einem exklusiven Stockholmer Wohnviertel, bezogen. Ausgerechnet an dem Abend, als Nyhlén Emma einen Heiratsantrag unterbreitet, dieser aber unerwartet ins Leere läuft, geschieht in der unmittelbaren Nachbarschaft ein Mord an einem 18-jährigen Jungen. Erste Mutmaßungen in den sozialen Netzwerken nehmen ausländische Bauarbeiter ins Visier, zumal sich in der jüngsten Vergangenheit Einbrüche in der Gegend gehäuft hatten. Doch bereits wenig später stürzt die Putzfrau, die ursprünglich den ermordeten Jungen entdeckt hatte, zu Tode. Es zeigt sich rasch, dass diesem Unglück kein Haushaltsunfall zugrunde lag, sondern jemand tatkräftig den Fall der Frau initiiert hatte. Die Ermittler sehen sich dem Rätsel ausgesetzt, inwieweit die beiden Fälle in Zusammenhang stehen könnten.

Für Emma sind diese Tage der absolute Alptraum. Zusammen mit Nyhlén, der nach dem gescheiterten Heiratsantrag die gemeinsame Wohnung verlassen hat, muss sie in diesem undurchsichtigen Fall ermitteln. Da die privaten Bande zwischen den beiden erkaltet sind, sind auch der Umgangston und ihre professionelle Zusammenarbeit arg in Mitleidenschaft gezogen. Emma entdeckt darüber hinaus ebenfalls Einbruchsspuren im Haus ihrer Schwester sowie später bei ihren Eltern, wo ihr Dienstlaptop entwendet wurde. Außerdem hat jemand versucht, sie mit dem Auto von der Straße abzubringen. Sind die bisherigen Opfer etwa nur beiläufig gestorben und gilt das Augenmerk des oder der Täter vielmehr ihr, Emma Sköld? Sind es etwa Folgen ihrer Aufklärung der Bettlermorde, bei der vielen hochdotierten Personen in Polizeikreisen der Garaus gemacht wurde? Falls ja, dann schwebt Emma tatsächlich in allerhöchster Lebensgefahr.

"Schuld - Emma Sköld und der junge Tote" lautet der Titel des neuesten Kriminalromans aus der Feder der bereits mehrfach mit Preisen dekorierten schwedischen Schriftstellerin Sofie Sarenbrant. Die Reihe um Emma Sköld umfasst in der deutschen Übersetzung nun insgesamt vier Bücher. Mit "Der Mörder und das Mädchen" startete Emma Sköld vor drei Jahren hierzulande. Es folgten "Das Mädchen und die Fremde" und "Die Tote und der Polizist" sowie nun der vierte Teil. Interessanterweise umfasst die Serie im schwedischen Original inklusive des vorliegenden Falles sechs Teile. Eine nachträgliche Veröffentlichung der beiden verpassten Bücher erscheint allerdings unwahrscheinlich, da Sarenbrant über die einzelnen Fälle hinweg die Situation um ihre Protagonistin doch jeweils deutlich weiterentwickelte. Doch ist weiterer Nachschub bereits garantiert, da die Autorin in ihrer schwedischen Heimat mit "Skamvrån" schon einen siebten Teil vorgelegt hat.

Nach dem furiosen Finale in "Die Tote und der Polizist" war Emma sowohl körperlich als auch psychisch am Ende ihrer Kräfte angekommen. In der Zwischenzeit konnte sie sich in der heimeligen Keimzelle mit ihrer Tochter und dem gutmütigen Nyhlén regenerieren. Doch in Emma ist stets Bewegung, was schließlich darin gipfelt, dass sie den Heiratsantrag von Nyhlén zurückweist und sich von ihm trennt. Fortan verliert auch der Leser seinen Bezug zu Emma, da sie zunehmend gereizt, bisweilen erratisch und manchmal in Ansätzen gar hysterisch agiert. Letztlich manövriert sie sich mit diesen Verhaltensweisen in eine Situation, die ausweglos erscheint. Als erfahrener Leser von schwedischen Kriminalgeschichten fühlt man sich mitunter an Liza Marklunds Protagonistin Annika Bengtzon erinnert, die ebenfalls im Laufe ihres fiktiven Lebens ähnliche Muster entwickelte und beinahe die Kontrolle über ihr Leben verlor.

Die Preise, die Sofie Sarenbrant mit ihren Emma-Sköld-Romanen einheimst, sind völlig verdient. Sie begeistert ihre Leser damit, dass sie stets eine relativ geschlossene und niemals ausufernde Aufstellung an handelnden Personen aufführt, die sie dann gekonnt und in kurzer Kapiteltaktung - in sage und schreibe 100 Kapitel hat sie dieses Mal ihre Geschichte gepackt - bisweilen durch die Hölle jagt. Sobald man sich als Leser über die Mitte eines Buches von Sofie Sarenbrant bewegt hat, sollte man sicherstellen, dass man keine Termine im Nacken hat, gegebenenfalls in der kommenden Nacht etwas weniger Schlaf finden wird, da man, wenn die Lawine erstmal ins Rollen gekommen ist, das Buch definitiv nicht mehr aus den Händen legen wird. Zu hoffen bleibt allerdings, dass Sofie Sarenbrant ihre Protagonistin in deren turbulenter Gefühlswelt wieder eingefangen bekommt.

Christoph Mahnel 
07.12.2020

 
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Das Buch:

Sofie Sarenbrant: Schuld - Emma Sköld und der junge Tote. Aus dem Schwedischen von Hanna Granz

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Berlin: Rütten & Loening 2020 445 S., € 16,99 ISBN: 978-3-352-00927-3

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