Krimis & Thriller

Ein falsches Spiel - für die gute Seite

Der Zweck heiligt die Mittel? Der eine, Uli Winkler, würde das bedenkenlos unterschreiben: In der DDR der 1970er Jahre gibt es keinen Widerspruch, der sozialistische Arbeiter- und Bauernstaat muss gegen den kapitalistischen Westen verteidigt werden - zur Not auch mit Gewalt! Der andere, Michael Ivanov, tut sich da schon schwerer: Auch er verteidigt scheinbar die Werte des Ostens, und zusammen mit seinem Freund Uli führt er Befehle aus, die moralisch nicht immer lupenrein sind, doch aber immer den Interessen von Vater Staat nützen.

Doch in Wahrheit spielt er ein doppeltes Spiel: Als Agent der CIA ist es seine Aufgabe, unter dem Deckmantel eines Stasi-Agenten die Interessen des Westens zu schützen - mit ebenfalls nicht immer moralisch einwandfreien Methoden. Dass dies zunehmend zu einem moralischen Dilemma führt, wird Michael erst im letzten Moment klar, doch da ist es schon zu spät - aus ehemals besten Freunden werden erbitterte Feinde.

Soweit die Ausganssituation diese Agententhrillers, der zwei Jahrzehnte überspannt und gekonnt reale geschichtliche Hintergründe und Personen mit dem Leben zweier Agenten verknüpft, die es so in dieser Zeit eins zu eins gegeben haben könnte - oder vielleicht gegeben hat? Die bewegte Biographie des Autors lässt Mutmaßungen entstehen darüber, ob die Geschichte zweier rastloser Geister so fiktiv ist, wie man zunächst denkt ...

"Wenn Menschen vier Mauern aufstellen und das Ganze überdecken, dann haben sie etwas Nützliches geschaffen und fühlen sich hinter diesen vier Wänden in ihrem Heim nun sicher und geborgen. Wenn Menschen aber eine eigentlich sinnlose Mauer quer durch eine ganze Stadt bauen, fühlen sich die Leute beiderseits der Mauer verunsichert." So eröffnet der Roman Thedy van Goys Katz-und-Maus-Spiel, und so spielt der Agententhriller aus der Ära des Kalten Krieges gekonnt mit dem Gedanken, warum die DDR zum Scheitern verurteilt war, wirft aber auch einen wichtigen Blick darauf, warum man es damals eben noch nicht so gesehen hat.

So ist der Roman ein erfrischender Gegenpol zur "Ostalgie", die es mancherorts immer noch gibt. Nein, die DDR des Romans ist ein karger, menschenverachtender Ort, der sich verbissen an etwas klammert, was der menschlichen Natur widerspricht. Der Westen indes ist nur scheinbar das "gelobte Land" in van Goys Roman: Unschuldige Bauernopfer und der fehlende Garant für Sicherheit lassen auch ihn in eher blassem Licht scheinen ...

So ist denn auch das Fazit, das sich dem Leser bietet, tröstlich: Ein Glück, dass wir in der heutigen Zeit leben - auf dass wir die Erinnerung an die Vergangenheit nicht verblassen lassen!

Gerrit Koehler 
29.06.2020

 
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Das Buch:

Thedy Van Goy: Die Wende - Die letzten 20 Jahre einer brüchigen Mauer

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Offenbach am Main: August von Goethe Literaturverlag 2019 274 S., € 19,80 ISBN: 978-3-8372-2114-5

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