Krimis & Thriller

Waschen, föhnen, morden

Der Frisörsalon von Stefano de Luca ist seit vielen Jahren die Top-Adresse in Stockholm. Es schneiden der Meister selbst und seit ewigen Zeiten auch Jenny Ericson. Doch ist ihre Stellung seit einigen Monaten stark gefährdet. Mit der Ankunft von Angelina Silver als neuer Kollegin hat eine Abwanderungswelle vieler langjähriger Kunden weg von Jenny, hin zu Angelina eingesetzt. Abgesehen von der natürlichen Reaktion, die Konkurrentin skeptisch zu beäugen, betrachtet Jenny Angelina daher sehr argwöhnisch: Warum hat die Neue noch immer nicht ihre Unterlagen vorgelegt? Warum borgt sie sich ständig Jennys Arbeitsgeräte? Jenny ist sich sicher, dass Angelina ein falsches Spiel spielt. Doch fehlen ihr die Ansatzpunkte, ihr Gefühl konkret benennen zu können, bis zum dem Tage, an dem ein Kunde der beiden ermordet aufgefunden wird.

Der Frisörsalon als Ort für Verbrechen und Intrigen ist zwar keine gänzlich neue Idee, doch für das Krimi- und Thriller-Genre durchaus ungewöhnlich. Der Berliner Autor Christian Schünemann hatte vor einigen Jahren schon einmal vier Krimis rund um einen Münchener Szene-Frisör beim renommierten Diogenes Verlag herausgebracht. Bei dem vorliegenden schwedischen Werk handelt es sich um das neueste Buch aus der Feder von Sofie Sarenbrant. Die ehemalige Journalistin gilt hierzulande nach den Übersetzungen ihrer ersten drei Emma-Sköld-Romane als Shooting-Star der Branche. Ihre bisherigen Bücher beeindruckten durch eine ungeheure Dynamik, die es einem nicht erlaubte, das Buch aus der Hand zu legen, so dass man stattdessen immer und immer weiterlesen musste.

So ergeht es einem bei dem vorliegenden Plot, der außerhalb der Emma-Sköld-Serie angesiedelt ist, ebenfalls. Die knapp vierhundert, geräumig bedruckten Seiten hat man dank des enormen Antriebes in wenigen Tagen ausgelesen, auch wenn keine Hochspannung griffig benannt werden kann. Der Autorin gelingt es jedoch, durch ständige Perspektivwechsel den Leser sehr dynamisch durch die Köpfe und Gedanken der drei Protagonisten zu führen, ohne dabei das gesamte Bild und mögliche Mordmotive zu verraten. Mit Hilfe entsprechender Überschriften ist der Leser in der Lage, seine Leseperspektive von "Jenny" auf "Angelina" oder "Stefano" innerhalb weniger Sekunden zu adjustieren. Die von Sofie Sarenbrant verwendete Sprache ist sehr einfach gehalten und sorgt damit für eine weitere Beschleunigung des Lesetempos.

Wie es sich für gute Krimis und Thriller gehört, bleibt es natürlich nicht bei einem Toten, was die Sache für gewöhnlich weiter zuspitzt. Im engen Korsett des Ensembles - neben den drei genannten Haareschneidern treten nur noch sehr wenige Nebendarsteller auf - läuft alles auf einen Showdown zwischen Jenny und Angelina hinaus. Wer verdächtigt wen zu Unrecht und wer hat wem schon lange aus gutem Grund misstraut? Es wird nur eine geben, die diesen Konflikt in Stefanos Frisörsalon überstehen wird. Wenn es diesen Salon dann noch geben wird! Das Erbe seines Vaters hat Stefano nämlich nicht immer mit der notwendigen Gewissenhaft geführt, so dass er in Geldprobleme geschlittert ist, die ihn neben dem Stress mit seiner undankbaren und geldgierigen Tochter schier verzweifeln lassen.

Als Leser umtreibt einem beim beständigen Wenden der Seiten spätestens auf den letzten 50 Seiten ein ungutes Gefühl und die Frage, ob die Geschichte denn tatsächlich auf eine spektakuläre Auflösung hinsteuern wird. Aufgelöst wird der Fall zwar, doch das spektakuläre Element lässt leider zu wünschen übrig. Die verbleibenden Seiten rinnen einem wie Sand durch die Finger, so dass der Leser am Ende trotz der guten Unterhaltung etwas enttäuscht zurückbleibt und sich wünscht, dass sich die Autorin etwas mehr Mühe mit dem Ende des Buches gegeben hätte. Dass Sofie Sarenbrant ihr Handwerk sehr gut versteht, hat sie schließlich für deutsche Thriller-Liebhaber bereits dreimal mit viel Bravour bewiesen. Somit bleibt zu hoffen, dass die nächste Veröffentlichung aus der Emma-Sköld-Reihe wieder ohne Trübungen glänzen wird. Im schwedischen Original tummeln sich laut Website der Autorin einige, noch nicht auf Deutsch veröffentlichte Geschichten mit Sofie Sarenbrants Lieblingsheldin.

Christoph Mahnel 
16.09.2019

 
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Das Buch:

Sofie Sarenbrant: Hinter deinem Rücken. Thriller. Aus dem Schwedischen von Hanna Granz

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Berlin: Aufbau Verlag 2019 393 S., € 12,99 Euro ISBN: 978-3-7466-3657-3

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