Krimis & Thriller

Horror , der selbst einem Altmeister wie Stephen King das Fürchten lehren würde

Was verbindet einen Jugendlichen, der in den 70er Jahren in Kansas das Haus seiner schlafenden Eltern anzündet, einen New Yorker Stricher, der Jahrzehnte später den dreijährigen Sohn einer Kundin entführt, die Kellnerin in Indiana, die von einem grauenhaften Ereignis aus ihrer Vergangenheit eingeholt wird, und den Ehemann, der auf der anderen Seite des Atlantiks rasend vor Eifersucht seine Frau umbringt? Kapitel für Kapitel, Geschichte für Geschichte führt Jérémy Fel in "Die Wölfe kommen" den Leser hinein in ein beängstigendes Labyrinth: Im Epizentrum des von den USA bis nach Europa wabernden Bösen steht der Psychopath, eiskalte Mörder und Gangsterboss Walter Kendrick.

Die 13 Episoden sind nicht in sich abgeschlossen und scheinen auf den ersten Blick nichts miteinander zu tun zu haben. Hier eine kleine Auswahl:

1. Loretta Greer, eine Farmersfrau aus Kansas in den 1970er Jahren, hat eine Antenne für das Böse. Es nutzt ihr nur nichts. Ihre Tochter Maddie ist vor Jahren verschwunden und hat nie wieder von sich hören lassen. Und ihr 17-jähriger Sohn Daryl zündet nach einem Streit den elterlichen Hof an.

2. Duane Parsons, Callboy aus New York, entführt Josh, den dreijährigen Sohn einer Stammkundin, um ihn vor deren Misshandlungen zu schützen. Er bringt ihn zum Vater nach Chicago. Unterwegs lernt er die Kellnerin Mary Beth Doyle kennen. Ihr Trauma: ein gewalttätiger Ex und ein Sohn, der nicht bei ihr lebt. Duanes Trauma: der Unfalltod seines Bruders.

3. Claire Millet, Psychologiestudentin aus Annecy/Frankreich, erholt sich von ihrer Masterarbeit, in der sie auch über den Fall Greer (Kapitel 1) geschrieben hat. Als nur Claire und Damien Lecointre, der Bruder einer Freundin, im Haus sind, erinnert sie sich plötzlich wieder an den Abend vor 14 Jahren, an dem ihre Mutter verschwand, und an ein Monster.

4. Louise Doucet, eine Hausfrau aus Nantes/Frankreich, hat Sorgen: Ihr Mann betrügt sie, ihr Schwager Serge ist ermordet worden, ihre Schwester Beatrice sinnt auf Rache und in der Stadt sind schon ein halbes Dutzend Teenager verschwunden. Louise hat einen Sohn in diesem Alter.

5. Walter Kendrick, eine Unterweltgröße aus San Francisco, überfällt in Idaho das ahnungslose Ehepaar Lamb und entführt deren Adoptivsohn Scott. Er ist der Vater des Jungen und stammt aus Kansas. Scotts Mutter ist Mary Beth Doyle, die vor ihm geflohen ist, als sie schwanger war.

Brutalität reiht sich an Brutalität. Nur nach und nach eröffnet sich dem Leser, wie die "Handlungen" miteinander zusammenhängen. Was sind das für Ungeheuer? Werwölfe, Wendigos, der Kinderschreck oder eine nicht näher beschriebene Manifestation des Bösen? Und wann schicken die sie zurück in die Hölle? Aber die Wölfe werden weiterhin schleichen, die Raben krächzend auffliegen, rote Augen in der Dunkelheit leuchten. Das Böse ist noch lange nicht aus der Welt. Entscheidend sind die Fragen: Wie weit sind Menschen bereit zu gehen? Und was treibt sie dazu? Schockierend, brutal, grausam, nichts für schwache Nerven, aber genial konstruiert und genial umgesetzt! Definitiv nichts für Zartbesaitete!

Spannungsliteratur auf höchstem Niveau - dank Jérémy Fel erfährt man den Thrillerschock seines Lebens. Der französische Autor kennt mit seinen Lesern keinerlei Gnade. Er schreibt so mörderisch wie nur wenige andere seines Genres. Von "Die Wölfe kommen" bekommt man schlimmste Alpträume über viele, viele Wochen lang. Respekt, wer nach diesem Leseerlebnis noch schlafen kann. Die Story raubt einem nicht nur Sprache und Atem, sondern außerdem die Nachtruhe. Vorsicht, Gefahr für Ihr Seelenheil, wenn nicht sogar ihre Gesundheit! Herzinfarkte sind garantiert. Fels Romane sind Killer von einem Thriller. Diese bringen einen an die Grenzen, an die Abgründe der menschlichen Seele, die man kopfüber hinunterstürzt. Solch teuflisch-spannende Thrill-Time haut einen glatt um.

Mit "Die Wölfe kommen" gelingt Jérémy Fel die Sensation eines Thrillerdebüts. Was man hier in die Hände kriegt, ist genialster Horror, der selbst einem Stephen King den Angstschweiß auf die Stirn treiben würde. Schon ab der ersten Seite steigt der Puls auf mindestens 180 Schläge die Minute, und weitaus höher. Kein Wunder, denn zwischen zwei Buchdeckeln steckt Nervenkitzel der einsamsten Spitzenklasse. Und trotzdem: Vor der Lektüre gibt es partout kein Entrinnen!

Susann Fleischer
22.05.2018

 
Diese Rezension bookmarken:

Das Buch:

Jérémy Fel: Die Wölfe kommen. Thriller. Aus dem Französischen von Anja Nattefort

CMS_IMGTITLE[1]

München: dtv 2017
400 S., € 16,90
ISBN: 978-3-423-26143-2

Diesen Titel

Logo von Amazon.de: Diesen Titel können Sie über diesen Link bei Amazon bestellen.